Open Educational Ressources

Eine neue Kultur des digitalen Teilens

Teilen und ergänzen: OER funktioniert wie ein öffentlicher Bücherschrank.
Teilen und ergänzen: OER funktioniert wie ein öffentlicher Bücherschrank.GettyImages
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Bildungsmaterialien sollen über offenen Lizenzen für alle verfügbar gemacht werden. Die Universität Graz hat kürzlich eine Zertifizierung erhalten. Und auch im Schulbuchbereich gibt es Ideen und Projekte.

Tippt man das Stichwort „Umwelt“ in das Onlineportal (OER-Portal) der Universität Graz, bekommt man sofort 50 Lern- und Lehrmaterialien ausgeworfen, die öffentlich und ohne Login zugänglich und downloadbar sind. Bislang hat die steirische Universität insgesamt mehr als 500 Materialien kostenlos und rechtssicher online zur Verfügung gestellt und Ende September als erste österreichische Universität ein OER-Zertifikat erhalten.

Diese offenen Bildungsunterlagen, auch Open Educational Resources (OER), gehen auf eine Initiative der Unesco zurück, die damit das Teilen von Lernunterlagen aller Art in offenen Formaten und unter offenen Urheberrechtslizenzen im Netz fördern will. Für die Freigabe dieser öffentlich finanzierten Materialien empfiehlt sie eine Creative-Commons-Lizenz, die umfassende Nutzungsmöglichkeit einräumt. Das Ziel: Allen Lernenden durch digitale Bildung die gleichen Chancen zu geben, egal ob sie sich ein Schulbuch leisten können oder nicht, sowie durch internationale Zusammenarbeit eine offene Wissenschaft zu ermöglichen. Österreich hat sich dazu 2022 offiziell mit einer Open-Science-Strategie bekannt.

Ortrun Gröblinger (rechts) überreichte an Vizerektorin Catherine Walter-Laager Österreichs erstes Zertifikat für offene Hochschulbildung.
Ortrun Gröblinger (rechts) überreichte an Vizerektorin Catherine Walter-Laager Österreichs erstes Zertifikat für offene Hochschulbildung. Universität Graz

Aussagekräftige Metadaten und ein neues Mindset

Im Hochschulsektor wurde OER hierzulande schon in den vergangenen Jahren sehr gestärkt – unter anderem durch das Projekt „Open Education Austria Advanced“, mit dem die Grundlagen, wie etwa eine nationale Infrastruktur oder Weiterbildung für OER, geschaffen wurden. Ein weiterer Pfeiler ist die nationale Zertifizierungsstelle, deren Aufbau Ortrun Gröblinger, Vereinspräsidentin des Forums Neue Medien in der Lehre Austria, gemeinsam mit ihrem Team vorantreibt. Dabei entstand auch ein Kriterienkatalog für ein OER-Zertifikat: Jede Hochschule muss eine Policy und eine Weiterbildung für OER vorweisen sowie eine eigene online zugängliche Datenbank mit möglichst aussagekräftigen Metadaten als Schlagworten für die Veröffentlichungen einrichten. Je nach Größe der Hochschule muss eine Mindestanzahl an Personen OER-qualifiziert sein. Mit der ersten OER-Zertifizierung einer Hochschule in Österreich ist Ende September ein Meilenstein erreicht worden. Vizerektorin Catherine Walter-Laager ist stolz auf das Zertifikat für die Universität Graz, denn „hochwertige Open Educational Resources können einen wesentlichen Beitrag zur Lehrqualität leisten“.

»OER steht für eine Art, wie Gesellschaft funktionieren kann. Wenn jemand in einem Dokument einen Fehler findet, geht es darum, darüber zu diskutieren und ihn auszubessern. Wenn dieses Weiterbearbeiten nicht erlaubt ist, ist es für mich kein OER.“ «

Ortrun Gröblinger

Vereinspräsidentin Forum Neue Medien in der Lehre Austria

Gröblinger freut es, dass die österreichischen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz als Vorreiter bei OER wahrgenommen werden. Sie sieht OER außerdem als ein wirksames Mittel gegen die herrschende Wissenschaftsskepsis und eine „Frage des Mindset“: „OER steht für eine Art, wie Gesellschaft funktionieren kann. Wenn jemand in einem Dokument einen Fehler findet, geht es darum, darüber zu diskutieren und ihn auszubessern. Wenn dieses Weiterbearbeiten nicht erlaubt ist, ist es für mich kein OER.“

Diese Kultur des Teilens betrifft aber nicht nur die Hochschulen. Bereits 2017 beschrieb die Erziehungswissenschaftlerin Sandra Schön in einer Machbarkeitsstudie mit ihren Co-Autoren mehrere Szenarien, wie es in Österreich offene Schulbildung geben bzw. wie Open Educational Resources in die österreichische „Schulbuchaktion“ integriert werden könnte. „Neben einer möglichen Änderung der Finanzierungsmodelle und Anreizen für offene Lizenzierung war es uns wichtig, dass der Wettbewerb um gute und attraktive Inhalte aufrechterhalten bleibt“, so die Studienautorin. Vorgeschlagen wurden damals eine Refundierung nach Nutzung oder dass nach einer Phase des freien Verkaufs Schulbücher als OER von den Verlagen zur Verfügung gestellt werden.

Offenes Schulbuch und eTapas

Bislang fördern die Ministerien OER nur auf freiwilliger Basis, nicht obligatorisch, bedauert Schön, die nunmehr an der TU Graz forscht. Ein tolles Beispiel für ein OER-Schulbuch ist für sie „Denken lernen – Probleme lösen mit BBC micro:bit“, das von Alois Bachinger und Martin Teufel herausgegeben wurde und Kinder niederschwellig für Coding und Computing begeistern soll. Das Buch enthält 39 Projekte, die Kinder sehr niederschwellig für Coding und Computing begeistern sollen und die ohne Urheberrechtsverletzungen geteilt, vervielfältigt und weiterverbreitet werden. Zudem dürfen sie weiterbearbeitet werden. Das ist eine wichtige Basis für rechtssicheres Handeln im Lehrberuf.

Außerdem fördert das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung im Schulsektor die Initiative „eEducation Austria“, die den didaktisch sinnvollen Einsatz digitaler Medien in allen Fächern vorantreibt. Beim Projekt „eTapas“ werden kleine Lerneinheiten, die im Einklang mit dem Unterrichtskonzept stehen, von Lehrkräften produziert. Die Erstellung wird abgegolten, die Inhalte müssen mit einer Creative-Commons-Lizenz publiziert werden und sind online auf „eduvi­dual.at“, abrufbar, das sich Moodle als weltweit führender Open-Source-Lernplattform bedient.

Auf einen Blick

Mit Open Educational Resources (OER) will die Unesco inklusive Wissensgesellschaften und hochqualitative Bildung für alle Menschen ermöglichen. Die öffentlich finanzierten Lern- und Lehrmaterialien sollen unter einer sogenannten offenen Lizenz wie den Creative-Commons-Lizenzen CC BY, CC BY-SA, CC 0 freigegeben werden. In Österreich wurden mit „Open Education Austria Advanced“ bereits Grundlagen für OER und eine nationale Zertifizierungsstelle geschaffen.

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