Wissenschaft

Sollen die Eichen weichen?

Janusblättrig: Was sie zu ihrem Schutz produzieren, wird in der Luft zur Bedrohung, für sie und uns.
Janusblättrig: Was sie zu ihrem Schutz produzieren, wird in der Luft zur Bedrohung, für sie und uns. Guillaume Souvant / AFP / picturedesk.com
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Die Bäume emittieren viel Isopren, einen Kohlenwasserstoff, der mit Stickoxiden aus menschlichen Quellen Ozon bildet. Die Erwärmung verschärft das Problem.

Sollen wir alle Eichen umschneiden?“ Die Frage ist rhetorisch, aber sie hat einen ernsten Hintergrund, denn der sie stellt – Tom Sharkey, Pflanzenforscher an der Michigan State University –, hat einen bedrohlichen Zusammenhang bemerkt: Manche Bäume – vor allem Eichen, aber auch Pappeln – emittieren mit fortschreitender Erwärmung noch viel mehr als ohnehin von einem Kohlenwasserstoff, der in Verbindung mit Stickoxiden aus Fabriksschloten und Autoauspuffen Ozon bildet, das Gas, das hoch oben in der Atmosphäre vor UV-Strahlung schützt, in Bodennähe aber die Gesundheit von Menschen schädigt, die von Pflanzen auch: Isopren, C5H8 (Pnas 5. 10.).

Von dem hört man selten etwas, es zog nur kurz Aufmerksamkeit auf sich, als US-Präsident Ronald Reagen eingangs der 80er-Jahre jede Verschärfung von Luftreinhaltemaßnahmen mit dem Argument ablehnte, dass „etwa 80 Prozent unserer Luftverschmutzung von Kohlenwasserstoffen kommen, die von Pflanzen emittiert werden. Also lasst es uns mit den Standards für menschliche Quellen nicht übertreiben“ (Sierra 65, S. 15).

Dass es das Gas in der Luft gibt, bemerkte man erst spät

Wahr daran war Zweierlei: Isopren ist, nach Methan, der Kohlenwasserstoff, der am häufigsten in die Atmosphäre kommt – 600 bis 800 Millionen Tonnen im Jahr –, und er kommt vor allem von Pflanzen, von Laubbäumen oft, mit an der Spitze eben Eichen und Pappeln. Trotzdem wurde das Gas – das man 1860 im Labor als Zerfallsprodukt von Kautschuk entdeckt hatte – in der Atmosphäre lange nicht bemerkt, anders als die Monoterpene von Nadelbäumen riechen wir es nicht. So publizierte als Erster Guivi Sanadze von der Universität Tiflis in Georgien 1957 darüber, in den Westen sprach sich das nicht herum, dort fiel es erst 1965 auf, es stieß auf wenig Interesse – außer bei den Forschern, auf deren Befund Reagen sich bezog –, noch 1999 dekretierte eine Gruppe um Peter Kaufman (University of Michigan), als „freies Gas“ komme „Isopren in der Natur nicht vor“ (Natural Products from Plants S. 343).

Mit dieser Ignoranz ist es vorbei, aber die „Biologie von Isopren ist immer noch rätselhaft“. Das bedauerten Thomas Sharkey (Michigan State University) und Russel Monson (University of Arizona) anlässlich des 60. Jahrestags von Sanadzes Publikation (Plant, Cell and Environment 40, S. 1671), geändert hat sich am Stand des Wissens bis heute nicht viel, außer dass man bemerkt hat, das es auch andere Quellen von Isopren gibt: Abiotische wie der extrem dünne Oberflächenfilm der Meere, eine Suppe aus organischen Molekülen (Scientific Reports 5: 12741): und lebende, unter ihnen wir, die wir es in den Muskeln produzieren, je nach Belastung unterschiedlich viel, dann scheiden wir es mit dem Atem und durch die Haut aus: Bei hoher Aufregung im Kino steigen die Werte derart – vom Herumrutschen in den Sesseln –, dass eine Gruppe um Jonathan Williams (MPI Chemie Mainz) 2018 vorschlug, man möge anhand der Raumluft darüber entscheiden, ob Filme jugendfrei gegeben werden oder nicht (PLoS One e0203044).

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