Interview

Jüdischer Jurist Sands: „Die jüdische Geschichte lehrt uns, dass wir nicht ohne Recht leben können“

Der Rechtsexperte und Schriftsteller Philippe Sands: „Die Idee einer militärischen Spezialoperation in der Ukraine ist absurd. Das ist ein Krieg.“
Der Rechtsexperte und Schriftsteller Philippe Sands: „Die Idee einer militärischen Spezialoperation in der Ukraine ist absurd. Das ist ein Krieg.“Antonio Zazueta Olmos/S. Fischer Verlag
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Der britische Jurist und Schriftsteller Philippe Sands über die Situation in Israel und Gaza, darüber, warum das Gesetz das Handeln bestimmen soll, und über den langen Arm des Rechts, den auch Wladimir Putin fürchten muss.

Die Presse: Sie sind jüdischer Jurist und leisten zugleich seit Jahresbeginn 2023 Rechtsbeistand für die Palästinenservertreter in einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof gemäß UN-Resolution A/RES/77/247 zum Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser. Wie sehen Sie die aktuelle Lage?

Philippe Sands: Die grausamen Verbrechen der Hamas in Israel haben uns bis ins Mark erschüttert. Zugleich habe ich mit sieben anderen jüdischen Spitzenjuristen in einem offenen Brief auch festgehalten: In dieser Zeit des Schmerzes und Terrors ist es schwierig, aber entscheidend, darauf zu bestehen, dass wir alle nach Recht und Gesetzen leben müssen. Die jüdische Geschichte lehrt uns, dass wir nicht ohne Recht leben können. Es gibt keine Rechtfertigung für die Verbrechen der Hamas. Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung. Aber so wie es uns das Völkerrecht erlaubt, die Verbrechen der Hamas strafrechtlich zu verfolgen, so gibt es auch den Rahmen vor, innerhalb dessen Israel antworten muss. Diese Gesetze gelten ungeachtet dessen, wie schrecklich die von der anderen Seite begangenen Verbrechen sind. Unsere jüdischen Werte erfüllen uns mit der Überzeugung, dass das Gesetz und seine Einhaltung unsere Richtschnur sein müssen. 

In Ihrem ersten Bestseller, „East West Street“, geht es nicht nur um Ihre Familiengeschichte, sondern auch um die beiden jüdischen Juristen Hersch Lauterpacht und Raphael Lemkin. Der erste entwarf das juristische Konzept des „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“, der zweite den Begriff des „Völkermords“ (Genozid). Was würden die beiden heute zur Lage der Welt sagen?

Sie wären ohne Zweifel entsetzt über den massiven Angriff auf Israel am 7. Oktober, und ich glaube, sie wären auch sehr erschüttert über die Art und das Ausmaß der Antwort. Es ist schwierig. Aber man kann sich nicht vorstellen, dass sie sich nicht zutiefst betroffen fühlen würden. 

Was meinen Sie als Rechtsprofessor: Welches der beiden Konzepte ist in der gegenwärtigen Situation zutreffend?

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