August Schmölzer lieferte die Vorlage für den neuen Film von Peter Keglevic.
Kino

Schauspieler August Schmölzer: „Man muss sich selbst verzeihen“

Zunächst schrieb er Essays, daraus wurde ein Roman – und nun ein Kinofilm: Der steirische Schauspieler August Schmölzer über sein Polit-Märchen „Am Ende wird alles sichtbar“ – und warum Kroatien ums Eck von Klosterneuburg liegt.

Plötzlich ist er einfach da. Ein Bub, vielleicht zehn, zwölf Jahre alt. Immer wieder taucht er auf, stellt Fragen, schaut zu, wenn Josef wieder einmal ein Grab aushebt.

Wir sind in den Sechzigerjahren. Josef, ein Fotograf, ist nach Jahren in der Fremde in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Dort beginnt er als Totengräber und muss Buben beerdigen, die Opfer einer Mordserie geworden sind. Das „Gute“ dabei ist, dass der Täter kein Einheimischer sein soll, wie im Ort verkündet wird.

Der Kriminalfall ist dabei nur die vordergründige Geschichte. Es geht auch um jenes Massaker, das Josef einst dokumentieren musste; der Bub, der ihn nun begleitet, war einer der Getöteten. Und es geht um seine Jugendfreundin Ragusa, die er nun wiedertrifft.

Hinter all dem, sagt Schauspieler August Schmölzer, gebe es eine wahre „Grundgeschichte“: Schmölzer erzählt von einem Pastor, Sohn eines hohen NS-Politikers, dem ein ehemaliger SS-Mann beichtete, wie er auf Befehl ein kleines Mädchen mit einem Bajonett erstochen habe. Sein restlichen Leben habe ihn der Blick dieses Mädchens begleitet. „Ein einfaches, fast lyrisches Bild“, sagt Schmölzer, „mit einer Tragweite, die man sich gar nicht vorstellen kann, es wird einem ganz schlecht. Ich habe angefangen, Essays dazu zu schreiben, weil mich die Frage fasziniert hat, wie man damit umgehen würde. Und plötzlich hat das eine zusammenhängende Form ergeben, und daraus ist ein Buch entstanden.“

Am Meer und in den Bergen

Der Roman erschien unter dem Titel „Der Tote im Buchsbaum“ 2014 im Hamburger Merlin-Verlag. Irgendwann, so formulierte Regisseur Peter Keglevic, sei Schmölzer mit einem Roman zu ihm gekommen. Schauspieler und Romane, das sei so eine Sache. Er habe ihn lang liegen gelassen, ehe er ihn las – und prompt fand, daraus müsse man etwas machen. Er beanspruche trotzdem nicht, Schriftsteller zu sein, sagt der Steirer. „Ich erzähle eine Geschichte, so wie ich sie erzählen kann.“

Schmölzer und Keglevic (der sich übrigens selbst auch schon an Romane gewagt hat) kennen sich von der Erfolgsproduktion „Die Fremde und das Dorf“, die auf einer Idee Schmölzers beruhte (und aus der schließlich drei Teile wurden). Die Produktion von „Am Ende wird alles sichtbar“ wurde dann noch „eine Odyssee“. „Letztlich hatten wir zu wenig Geld, um den Film zu drehen, aber zu viel Geld, um ihn nicht zu machen“, formuliert es Produzent Wolfgang Rest. Ein Problem sei, sagt Schmölzer, dass der Film kein klar wahrnehmbar österreichischer sei.

Tatsächlich spielt die märchenhafte Parabel ein wenig Wes-Anderson-mäßig zwischen einer „Stadt am Meer“ und einer „Stadt in den Bergen“. „Es war eine Vorgabe von mir, weder die Städte noch die Kriege zu verorten“, sagt Schmölzer. „Die beiden Städte stehen für Kontrahenten, sie könnten auch für Länder stehen. Hätten wir die Städte benannt, wären zuerst die Urlaubsfantasien da, und bis die im Hirn abgearbeitet sind, ist der Film schon vorbei.“

Gedreht wurde der Film in Niederösterreich und in der Steiermark, aber auch in Istrien, etwa in Novigrad und Rovinj, die verschiedenen Orte verschmelzen dabei zu einer ganz eigenen Welt. „Wenn eine Figur in Kroatien um die Ecke geht, steht sie plötzlich in einer Gasse von Klosterneuburg“, so Schmölzer. Ein wenig sei das auch den Low-Budget-Umständen geschuldet. „Das ist natürlich tragisch, weil vielleicht das eine oder andere besser hätte gemacht werden können. Aber es ist auch gar nicht so schlecht, weil man sich viele Dinge überlegen muss, bevor man den Euro ausgibt.“ Und jeder im Team habe etwas beigetragen. „Ich muss ja nicht im Wahnsinnshotel wohnen. Ruhig und sauber soll es sein.“ Und jeder habe dieselbe Gage bekommen.

Ähnliches wie für die Orte galt übrigens für das Militär. „Krieg ist Krieg“, sagt Schmölzer. „Es sterben immer Menschen, es passiert Ungerechtigkeit, und es hat Auswirkungen auf die nächste Generation. Wir sind jetzt 85 Jahre von diesem unseligen Zweiten Weltkrieg entfernt und haben immer noch damit zu kämpfen. Und der aufkeimende Antisemitismus hat nicht nur mit Israel und Gaza zu tun, das war bei uns immer latent vorhanden.“

„Es kann gefährlich sein“

Er spielt jenen Polizeikommandanten, der das große Wort führt und mit Josef um Ragusa konkurriert. „Ich wollte das eigentlich gar nicht“, sagt Schmölzer. „Es kann gefährlich sein, eine große Figur als Autor selbst zu spielen. Was ist, wenn man mit dem Regisseur nicht zusammenkommt? Das wäre furchtbar gewesen. Ist aber nicht so gewesen. Wir haben da einen gemeinsamen Weg gefunden, man kann im Film auch nachvollziehen, warum der so ein armes Schwein ist und macht, was er macht. Das interessiert mich als Schauspieler sowieso grundsätzlich mehr: Die Schuldfrage und warum Menschen so werden, wie sie sind. Wahrscheinlich spiele ich auch deshalb viele solche Menschen.“

Die Schuld ist, neben der Liebe, Hauptthema des Films. „Wir haben in Europa einen politischen Sauhaufen beieinander“, sagt Schmölzer. „Eine Rechtstendenz, unvorstellbar. Wir haben einen Konflikt zwischen Palästinensern und Juden, der so furchtbar ist, dass ich nicht weiß, wie das enden wird. Aber jeder von uns wird irgendwann anfangen müssen. Und da ist es so, dass das Miteinander-Reden, und das Mit-sich-selbst-Reden, wie das beim Josef spürbar ist, eine Lösung sein könnte. Das Mit-sich-selber-Beschäftigen. Ob da Gott einem verzeiht, ist im Grunde vollkommen wurscht. Wichtig ist, dass das Gegenüber einem verzeihen kann, wenn es die Möglichkeit hat. Aber vor allem, dass man sich selbst verzeiht.“

Auf einen Blick

August Schmölzer (geb. 1958 in St. Stefan ob Stainz) ist Schauspieler („Julia – eine ungewöhnliche Frau“, „Die Fremde und das Dorf“) und Autor. Auf Radio Steiermark hält er als abgewählter Vizebürgermeister monatlich „Oberdenglers Rundschau“. Aktuell dreht er für Netflix „Die Kaiserin“. „Am Ende wird alles sichtbar“ (u. a. mit Harald Schrott, Erika Marozsán, Manuel Rubey, Jeremy Miliker, ab 17. 11.) basiert auf seinem Roman „Der Totengräber im Buchsbaum“, der nun überarbeitet unter dem Filmtitel neu erschien.

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