Straßen als grüne Aufenthaltsräume: der Superblock in Barcelonas Stadtteil Sant Antoni mit seinen markanten Bodenmarkierungen.
Architektur und Design

Supergrätzl: Wien sollte von Barcelona lernen

Barcelona zeigt mit seinen ­Superilles vor, wie Städte mehr Lebensraum für Bewohner schaffen können. Grundlage ist Überzeugungskraft, die nicht ­immer politisch belohnt wird.

Wer derzeit Barcelona besucht, bekommt ein anschauliches Bild, was ­ambitionierte Stadttrans­formation im 21. Jahrhundert bedeuten kann. Bereits seit einigen Jahren werden in der spanischen Metropole die in Planerkreisen hochgelobten Superilles, international auch Superblocks genannt, umgesetzt. Das Prinzip ist denkbar einfach, aber äußerst wirkungsvoll: Innerhalb der für Barcelona typischen rasterförmigen Bebauungsstruktur schließt man Zufahrtsstraßen für den motorisierten Durchzugsverkehr ganz oder teilweise. So entstehen Straßen und Kreuzungen, die vor allem den Menschen und ihren Bedürfnissen zur Verfügung stehen: Bäume, Grünflächen, neue Sitzgelegenheiten und Spielgeräte – das alles soll die ­Lebensqualität der Bevölkerung in den Superilles verbessern.

Ausschlaggebend für die Entwicklung der Superblocks waren die zunehmend schlechte Luftqualität und klimawandelbedingte Hitzewellen. Gepaart mit fehlendem Grün- und Bewegungsraum, führte das in manchen Teilen zu massiven Problemen. Eines der ersten Transformationsgebiete war das weitläufige Viertel Eixample. „Der Plan der groß­flächigen Stadter­weiterung Eixample von Alfonso Cerda aus dem 19. Jahrhundert beruht auf einem strengen Rastersystem“, erklärt Jürgen Furchtlehner, wissen­schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Landschaftsarchitektur (ILA) an der Boku Wien. „Auf die ursprünglich vorgesehenen Parkanlagen hat man bei der Umsetzung des Plans verzichtet.“ Stattdessen brauste der immer stärkere Stadtverkehr durch die Straßen des Viertels. Im Jahr 2015 wurde die links-grüne Politikerin Ada Colau mit dem Wahlversprechen „Lasst uns die Straßen mit Leben füllen!“ Bürgermeisterin und versuchte mit der Einführung der Superilles mehrere Probleme in den Griff zu bekommen: Verkehr, Gesundheit, ­Soziales und Klima.

„Kiezblocks“ in Berlin, „Supergrätzl“ in Wien

„Das ursprüngliche Konzept der Maßnahme umfasst ein Raster von drei mal drei Baublöcken mit reduziertem Pkw-Durchzugsverkehr“, weiß Furchtlehner, der sich mit seinem Team am ILA bereits seit einigen Jahren dem Thema der nutzungserweiterten Straßenräume widmet und unlängst mit Studierenden Barcelona besuchte. „Im Inneren der verkehrsberuhigten Blocks werden über 80 Prozent des Kfz-Verkehrs reduziert. Die oft befürchtete Verlagerung auf umliegende Straßen fällt moderat aus, denn das Verkehrsaufkommen verringert sich durch die Attraktivierung der Quartiere. Der Superblock schafft mehr Platz für Begrünung und Erholung, Sport oder Spiel.“

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