Mein Freitag

Kein Vorher, kein Nachher, nur ein Mittendrin

Erich Kocina
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Wenn der Regenbogen uns auf der Erde besucht, sollte man keine Zeit verlieren.

Es war ein ziemlich nasser Mittwochmorgen. Regen von der Sorte, bei der nur ein Schirm hilft, nicht die Kapuze und schon gar nicht der Versuch, so schnell zu gehen, dass einen weniger Tropfen erwischen. „Ihr werdet eh nur oberflächlich nass“, hat der Turnlehrer (damals hieß das noch so) zu den Burschen gesagt und sie im Nieselregen Weitsprung üben lassen auf dem Sportplatz. Der nasse, kalte Sand hat die Stimmung nicht gehoben. Immer noch aber bringt einen der Satz zum Lachen, wenn sich jemand beschwert, nass geworden zu sein. Nur an der Oberfläche!

Auf der einen Seite des Großraumbüros war der Himmel noch dunkelgrau und nass, auf der anderen in Richtung des charmanten Hinterhofs schien die Sonne, seltsam grell. Und dann spannte sich ein Regenbogen hinter der Häuserfront über den Himmel, der selbst die Hartgesottenen unter uns aufstehen und zu den Fenstern gehen ließ. Oh, wie schön! Vielen Menschen muss der Regenbogen am Mittwochvormittag aufgefallen sein, viele Fotos wurden verschickt.

Das Naturphänomen ist flüchtig, eben noch von berückender Leuchtkraft und schon an den Rändern verblassend. Nach einem Wimpernschlag ist der Himmel wieder leer. Der Regenbogen steht für Hoffnung, an seinem Ende vermuten Sagen einen Schatz, ist er doch eine Brücke vom Irdischen in die Welt der Zauberwesen. Aber auch Sachliche können sich seiner Magie nicht ganz erwehren. „Licht wird gebrochen durch Wasser. Mehr ist es nicht. Physik“, brummelt mein vernünftiger Kollege. Die Freude über den seltenen Anblick bezeichnet er als irrational. Aber Hauptsache, es gibt sie. Ein Foto hat er dennoch gemacht.

So wie die Regenbogenfahne nichts von diesem Zauber wiedergeben kann, so flach wirken auch die Fotos. Es gibt wenig, das mehr jetzt ist als er. Kein Vorher, kein Nachher, nur ein Mittendrin.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

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