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Dieses Genre will gefühlt werden

Auch bei der heurigen Frankfurter Buchmesse waren BookTok und das boomende Genre New Adult ein großes Thema.
Auch bei der heurigen Frankfurter Buchmesse waren BookTok und das boomende Genre New Adult ein großes Thema.Picturedesk
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Junge Leserinnen haben es mit New Adult geschafft, sich ihre eigene Literatur zu erzwingen – und eine Lücke zwischen Jugend- und Erwachsenenliteratur zu schließen. Warum gerade jetzt?

Es war eine Jubelmeldung, die Messe Buch Wien nach ihrem Ende herausgab: 58.000 Besucher waren gekommen, eine Rekordzahl. Was vor allem einem neuen Bereich zu verdanken sei: New Adult. Ein Genre, bei dem vor einige Zeit gar nicht klar war, ob es wirklich eines ist. Die Romane würden doch nur die Jugendliteratur zwei, drei Jahre weiterziehen, meinten die einen. Nein, es handle sich um einen kleinen Bereich der „Romance“-Literatur, sagten andere. Mittlerweile hat sich der Ausdruck New Adult emanzipiert.

Auch, weil es um viel Geld geht. Dass die Jungen für Literatur nichts ausgeben, stimmt nämlich nicht. Sie kaufen sogar besonders teure Bücher mit hochästhetischen Details, wie Prägungen und Farbschnitten. Einen New-Adult-Roman erkennt man auf den ersten Blick: Die Umschläge sind meist pastellfarben, schimmern oder glitzern. Und während Literaturkritiker konsterniert wegschauten, nahmen auch die renommierten Verlage immer mehr Titel aus dem Genre in ihre Programme. Und nach und nach sprangen die Buchmessen auf. Was ist nun neu an New Adult, abgesehen von der Optik? Die Geschichten, die erzählt werden, jedenfalls nicht.

Unter Titeln wie „Berühre mich. Nicht“, „Zurück ins Leben geliebt“ oder „Kisses in the Snow“ wird von jungen Menschen erzählt, die sich verlieben, scheitern, sich neu verlieben. Oder sich verlieben, Hindernissen gegenüberstehen und diese überwinden.

Zu New Adult gehören große Gefühle, aber auch Sex – gern explizit und teils humorvoll mit kleinen Pannen dargestellt. „Das Interessante ist, dass die Autorinnen ihre eigene Zielgruppe sind. Das macht die Bücher so authentisch und nahbar“, sagt Frederike Labahn, Lektorin im Heyne-Verlag. Die Zielgruppe ist altersmäßig ungefähr zwischen 16 und 26 Jahren oder noch höher angesetzt. Labahn erzählt auch von vielen Erwartungen, die die Leserinnen an New Adult haben. Es dürfe zwischendurch „schon dramatisch werden“, aber ein Happy End sei eine Grundkonstante. Labahn glaubt, dass der Peak noch nicht erreicht ist: Es würden mehr und mehr Romane eingereicht.

Schablonenhaft

Der Erfolg kommt, da sind sich die Beobachter einig, daher, dass die Romane die Lebenswelt ihrer Leserinnen wirklich ernst nehmen. Oder, kritischer formuliert: ihnen nicht (zu) viel Neues zumuten. Man kann New Adult als allzu schablonenhaft kritisieren. Über den Prozentsatz der Romane, die das sind, lässt sich sicher trefflich streiten.

Man kann aber auch eine Lücke sehen zwischen der Jugendliteratur, die schon immer versucht hat, nah am Leser zu sein, und der „erwachsenen“ Belletristik, die viele junge (und ja: vielleicht nicht übermäßig anspruchsvolle) Leserinnen überfordert. Eine Lücke, die wohl immer bestanden hat. New Adult behandelt die Themen, die eine junge Generation eben beschäftigt: die Schritte zum Erwachsenwerden, sehr oft in einem College-Setting. Eine Rolle spielen oft Existenzängste, toxische Beziehungen, mentale Gesundheit, auch die Klimakrise.

Gemeinschaftsgefühl

Aber wollten junge Leserinnen nicht schon immer ihre Probleme und ihre Lebenswirklichkeit abgebildet sehen? Warum forderte keine Generation bisher die passende Literatur? Susanne Stark, Programmleiterin für Jugendbücher bei DTV, argu­mentiert, junge Erwachsene hätten es schon vor einer Weile geschafft, „eine Literatur für sich zu entdecken, die ihre Gefühle transportiert“. Sie verbindet das mit mit der „Twilight“-Saga von Stephenie Meyer und „Hunger Games“ von Suzanne Collins. Der Buchhandel habe nicht reagiert. Über Social Media hatten die Leserinnen aber die Möglichkeit, sich zu vernetzen. Sie entwickelten ein Gemeinschaftsgefühl.

Phänomenale Verkaufszahlen

Die Verlage seien über Colleen Hoover darauf aufmerksam geworden, dass sich auf der Kurzvideo-Plattform TikTok eine Leserschaft bildete, die die Verkäufe in schwindelerregende Höhen trieb – und zwar weltweit. „Das Phänomen Colleen Hoover beeinflusst die gesamte Buchwelt“, sagt Stark. Jeder habe dann nach jüngeren Autorinnen gesucht. „Die Generation hat sich ihre Literatur erzwungen, indem sie sie über Social Media verbreitete.“ Unter dem Schlagwort BookTok, das Verlage und mittlerweile auch Buchmessen in ihrer Werbung nutzen, werden Debatten über Bücher oft von Influencern angestoßen. Man kann sich über ihre nach Pastellfarben sortierten Bücherregale lustig machen, aber sie haben eine lesebegeisterte Community hinter sich. Die „New York Times“ beschrieb das mächtige Werbeinstrument BookTok schon 2022 als „commanding force“ des Buchmarkts.

Es geht dort vor allem um eine Literatur, die gefühlt werden will. Und Leserinnen für sich begeistert, die alle dieselben Gefühle teilen – überwältigende Gefühle. Dass auf BookTok unter Tränen von den Erfahrungen beim Lesen berichtet wird, ist keine Seltenheit. Was wiederum ja auch nichts völlig Neues ist – man denke an die Empfindsamkeit im 18. Jahrhundert. Eine Frage bleibt jedenfalls: Was lesen junge Männer? Von den Verlagen hört man dazu vor allem: „Es ist schwierig, das zu beantworten.“

Autorinnen

Colleen Hoover ist der bekannteste Name unter den New-Adult-Autorinnen. Die 43-jährige Texanerin ließ das Genre boomen. Ihr Erfolg zeigt, wie sehr die auf TikTok versammelten Leser-Communitys mit ihren Influencern auf den Buchmarkt einwirken.

Weitere Namen von bekannten Autorinnen (Männer sind in dem Bereich kaum zu finden) sind Jennifer L. Armentrout, Rebecca Yarros oder J. S. Wonda. Unter den deutschsprachigen Autorinnen vor allem Laura Kneidl oder Sarah Sprinz.

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