Interview

Werden Maschinen die neuen digitalen Dozenten?

Dieser und andere Avatare führen bei einem interaktiven Projekt durch einen Online-Kurs, der beinahe komplett von KI-Programmen geschrieben wurde.
Dieser und andere Avatare führen bei einem interaktiven Projekt durch einen Online-Kurs, der beinahe komplett von KI-Programmen geschrieben wurde. TU Graz
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Was kann die künstliche Intelligenz für die Lehre leisten? Schon sehr viel, wie ein Projekt an der TU Graz zeigt. Dort hat der Bildungsinformatiker Martin Ebner und sein Team gemeinsam mit Studierenden den Onlinekurs „Societech: Die Gesellschaft im Kontext der Informationstechnolgie“ mithilfe von KI erstellt. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen.

Die Presse: „Societech: Die Gesellschaft im Kontext der Informationstechnologie“ wurde fast alleinig mit KI erstellt. Was war die Motivation dahinter?

Martin Ebner: Gemeinsam mit Studierenden und Experten wollten wir in diesem interaktiven Projekt ausloten, was KI derzeit leisten kann. Und in weiterer Folge das Ergebnis mit der Öffentlichkeit teilen, um die Möglichkeit zu geben, einzuschätzen, wann etwas KI-generiert ist, und die Merkmale von KI-generierten Inhalten zu erkennen.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Wir haben mehrere Programme eingesetzt: Texte wurden mit Chat GPT generiert. Aus diesen haben KIs in den Bereichen Bild- und Videobearbeitung Videos erstellt. Aus den Texten hat Chat GPT dann Self-Assessments und Begleittexte generiert. So sind zehn Module ­entstanden. Wir haben Chat GPT außerdem gefragt, welchen Kurs es gern machen würde, welche In­halte darin vorkommen sollen und welche Module es erstellen möchte.

Ist es ein großer Aufwand, einen solchen Kurs mit KI zu gestalten?

Drei Personen haben rund ein bis zwei Monate intensiv daran gearbeitet, unterstützt wurden sie von vier Experten aus dem KI-Bereich, dem Instructional Design und der Videoproduktion. Man kann alle Text-Prompts im Onlinekurs nachlesen – so können sich Interessierte ein Bild davon machen, was es heißt, auf diese Art einen Kurs zu erstellen.

Und wie gut war das Ergebnis?

Inhaltlich ist der Kurs durchaus in Ordnung. Wir haben rund 500 der Teilnehmer in einem Diskussionsforum um Feedback gebeten und die Videos von Fachexperten evaluieren lassen. Das allgemeine Urteil war: Die Inhalte sind korrekt, es ist nichts dramatisch Falsches drinnen, jedoch bleibt es sehr an der Oberfläche. Was allerdings bei zehn Minuten Einführung in ein Thema verständlich ist. Mit den Videos gab es mehr Schwierigkeiten: Die Avatare und Personen sehen noch sehr prototypisch aus, die Bewegungen passen nicht ganz. Generell sind Videos ohne Personen besser angekommen.

Sind Sie auch auf Ablehnung gegenüber der KI gestoßen?

Eigentlich nicht – aber man muss sagen, dass an diesem Kurs eher Personen teilnahmen, die offen für das Thema KI sind. Die meisten waren dankbar, weil man sich ansehen konnte, was alles möglich ist. Einerseits, weil man einen Eindruck davon bekommt, wie KI-generierte Inhalte aussehen, und sie dann leichter erkennen kann, andererseits, weil man auch Ideen bekommt, was man selbst damit machen könnte.

Könnte KI einen „Kreativitätsschub“ in der Lehre bewirken?

Was die KI schon hervorragend kann: in der kreativen Arbeit unterstützen. Letztlich ist sie eine Maschine, die mit mathematischen Modellen arbeitet und trainiert werden muss – während der Mensch in seinem Gehirn „drei Haken“ schlagen kann, die weniger vorhersehbar sind. Das ist derzeit noch der Unterschied. Mithilfe von KI kann ich aber meine eigenen Lernprozesse, meine „Alltagsarbeit“, sehr gut optimieren. Dieses Potenzial sehen noch die wenigsten, aber es wird völlig normal werden.

Ein Beispiel?

Automatisch generierte Untertitel. Seit etwa einem Jahr bekommt jeder Live-Stream an der TU Graz deutsche Untertitel. Die sind fast fehlerlos – sogar mathematische Formeln werden problemlos erkannt und in Echtzeit transkribiert. Das heißt, die Studierenden sehen die Untertitel sofort, können daraus ein Transkript generieren und über KI-Tools übersetzen. Wir können so ohne großen Aufwand jede Lehrveranstaltung in mehreren Sprachen ausgeben.

Was raten Sie Lehrenden, um sich an den Einsatz von KI heranzutasten?

Wir versuchen genau in diesem Bereich ­gerade Kompetenzen aufzubauen – Trainings, Weiterbildungen, Onlinekurse, all das ist im Gespräch. Leider ist der Rhythmus ja nicht so, dass man zehn Jahre in die Zukunft blickt und vorbaut – es geht jetzt erst los mit Forschungsanträgen und Unterstützungsangeboten. Raten würde ich wie immer, dass man interessiert und aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien ist und diese auch einmal für sich selbst ausprobiert.  

Markus Ebner, TU Graz
Markus Ebner, TU GrazLunghammer

»Man bekommt einen Eindruck davon, wie KI-generierte Inhalte aussehen.«

Martin Ebner

Bildungsinformatiker

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