Forschungsreise

Vom Weltentdecker zum Museumsintendanten

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Vor rund 165 Jahren verbrachte der österreichische Geologe Ferdinand Hochstetter neun Monate in Neuseeland. Seine Beobachtungen hielt er in Tagebüchern fest, das erste wurde nun veröffentlicht.

Der Aufbruch in die fremde Welt war tränenreich. „Ich hatte nicht gedacht, daß mir der Abschied so schwer fallen würde, als er mir nun in der That wurde. Als gegen 8 Befehl gegeben wurde, Anker zu lichten, da ging es mir wieder, wie beim Abschied in Wien, ich mußte weinen, zum 4ten mal seit ich Mann geworden.“ So beschrieb der Naturforscher und Geologe Ferdinand Hochstetter (1829–1884) einst zu Beginn seines Tagebuchs, wie er die Fregatte Novara, eine österreichische Expedition zur Weltumsegelung, und ihre Mannschaft verließ. Er hatte sich einverstanden erklärt, im Auftrag der englischen Krone in Neuseeland zu bleiben und Bodenschätze in Hinblick auf ihre Verwertbarkeit zu prüfen.

Was er dort sah und erlebte, notierte er akribisch in seinen Reiseaufzeichnungen – in den insgesamt neun Monaten in der Fremde füllte er fünf Tagebücher. Lang wurden sie verloren geglaubt, 2016 gingen vier davon als Schenkung an das Naturhistorische Museum (NHM) Wien, das fünfte verwahrt Geo­sphere Austria (früher: Geologische Bundesanstalt).

Nasenreiben und Schluchzen

Das erste, das sogenannte Auckland-Tagebuch, wurde nun von einem Forschungsteam des NHM sowie des Weltmuseums Wien, der Akademie der Wissenschaften (die auch finanziell unterstützte) und Forschenden aus Neuseeland transkribiert und umfassend kommentiert. Davon, wie aufwendig das Unterfangen gewesen sein muss, konnte man sich dieser Tage bei der Präsentation des Werks im NHM überzeugen, wo das Originalmanuskript für einen Abend ausgestellt war. Immerhin galt es nicht nur das schwierige Schriftbild zu entziffern, sondern auch alte Begriffe sowie jene aus der Māori-Sprache zu entschlüsseln.

Das Resultat schließt jedenfalls eine Forschungslücke – und lädt Interessierte durch die wörtliche Transkription zu einer überaus authentischen Abenteuerreise im Kopf in längst vergangene Zeiten ein. Hochstetter schildert detailliert naturwissenschaftlich relevante Details, etwa zur Beschaffenheit der Landschaft („Der Berg ist ein mit 2830° Neigung aufsteigender Schlackenkegel, dessen Krater fast vollständig erhalten sein soll“) oder zu Fauna und Flora, genauso wie ganz persönliche Beobachtungen. Verblüfft zu haben scheint ihn etwa das Grußritual der Māori. Dazu schreibt er: „Begrüßung der Freunde u. Freundinnen durch Nasenreiben, Schluchzen oder besser Nasendrücken, Schluchzen u. Weinen dazu, wenn die Nase nicht schon vorher von Natur so breit, muss sies auf diese Weise werden die Scene dauert je nach dem Grad der Freundschaft, ich habe wirklich Thränen gesehen, u. nach der Scene wird die Nase tüchtig geräuspert.“

Freilich, mitunter verstören Hochstetters, wohl seiner Zeit entsprechende, sexistische oder rassistische Sichtweisen. Und freilich dienten seine Forschungen dazu, den Wirtschaftsinteressen der Kolonialmacht zuzuspielen. Dennoch leistete er mit seinen Beobachtungen Pionierarbeit, die prägende Spuren sowohl in Neuseeland als auch in Österreich hinterließ.

Er selbst profitierte jedenfalls lebenslang von den Erfahrungen seiner Neuseeland-Reise. Nach der Rückkehr wurde er zum ersten Intendanten des größten naturwissenschaftlichen Museums des Reichs, des k. k. Naturhistorischen Hofmuseums in Wien, ernannt. Die Eröffnung 1889 erlebte er allerdings nicht mehr. Er verstarb 1884 an den Folgen einer nicht erkannten Diabetes-Erkrankung. Im NHM kommt man aber bis heute – buchstäblich – nicht an ihm vorbei: Sein Porträt ziert die Decke der Eingangshalle.

Matthias Harzhauser & Stefanie Jovanovic-Kruspel (Hrsg.):

„Hochstetters
Auckland-Tagebuch“

NHM-Verlag, 35 Euro

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