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Bitcoin & Blockchain

Javier Milei und Bitcoin – kann das gutgehen?

Ein libertärer Ökonom und Bitcoin-Anhänger wird Präsident von Argentinien. Die Bitcoin-Szene jubelt, doch einige sind skeptisch: Soll Bitcoin nicht unpolitisch sein?

„Viva la libertad, carajo!“ „Es lebe die Freiheit, verdammt!“ In Teilen der Bitcoin-Szene war der Jubel am Sonntagabend so groß, dass anderen fast ein wenig mulmig zumute wurde. Javier Milei hatte die argentinische Präsidentschaftswahl gewonnen, ein exzentrischer Ökonom, der die Zentralbank, den Peso und zahlreiche Ministerien abschaffen und den Staat aus so vielen Bereichen wie möglich zurückdrängen will. Auf diese Weise will er Argentinien, das unter einer dreistelligen Inflationsrate und unter hoher Armut leidet, aus der Misere holen. Einst sei Argentinien eines der reichsten Länder der Welt gewesen, dann habe der Sozialismus es ruiniert, meint Milei.

Rechts, links, libertär

Ist man „rechts“, wenn man so redet? Europäische Medien verpassen dem 53-Jährigen, den sie nicht so recht einordnen können, häufig den Titel „Rechtspopulist“. Doch das verleitet zu falschen Vorstellungen. Milei ist weder konservativ noch nationalistisch, sondern libertär. Genauer: ein Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, einer Denkrichtung, die das Individuum in das Zentrum der wirtschaftlichen Betrachtung stellt. Jeder Einzelne – und nicht der Staat – entscheidet, was er braucht, welchen Wert Güter und Dienstleistungen haben und was gutes Geld ist. Die Argentinier etwa horten lieber Dollars als Pesos, wenn sie können. Auch Bitcoin erfreut sich höherer Verbreitung als in den meisten anderen Ländern, wenngleich die Verbreitung noch überschaubar ist. Milei zitiert gern die österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek (dieser soll gesagt haben: „Wenn Sozialisten etwas von Wirtschaft verstünden, wären sie keine Sozialisten“) sowie den anarchokapitalistischen US-Ökonomen Murray Rothbard und empfiehlt deren Bücher auch seinen Wählern. Auch viele Bitcoin-Fans hegen Sympathien für die Österreichische Schule.

Als Währung will Milei den US-Dollar einführen – was dieser ohnehin fast schon ist: In keinem Land außerhalb der USA sind so viele Dollarscheine im Umlauf wie in Argentinien. Doch Milei schätzt auch Bitcoin: Zentralbanken seien Betrüger, meint er. Bitcoin sei eine Antwort darauf. An eine Einführung von Bitcoin als staatliche Währung denkt er vorerst nicht. Sein Amtskollege in El Salvador, Nayib Bukele, ging einen anderen Weg: Er führte vor zwei Jahren Bitcoin als staatliche Währung ein, neben dem US-Dollar. So richtig durchgesetzt hat sich Bitcoin in El Salvador seitdem nicht, nicht überall wird es akzeptiert. Bukeles Beliebtheitswerte schnellten aber wegen einer ganz anderen Sache in die Höhe: Er ließ Zehntausende Gangmitglieder inhaftieren, um der hohen Kriminalitätsrate in dem mittelamerikanischen Land Herr zu werden. Von vielen wurde das als autoritäres Vorgehen gesehen und färbte wiederum auf die Wahrnehmung der Bitcoin-Einführung ab: Kritiker meinen, dass Bitcoin, das dezentrale Geld, generell nicht von oben implementiert werden sollte.

Skepsis auch bei Bitcoinern

Genau das will Milei nicht tun. Der Bitcoin-Kurs reagierte positiv auf seine Wahl. Einige Bitcoiner zeigten sich in sozialen Medien dennoch skeptisch angesichts der großen Begeisterung für Milei. Wie könne man nur als Bitcoin-Anhänger einen gewählten Politiker feiern? Sollte Bitcoin nicht unpolitisch sein? Ist es nicht bedenklich, dass ausgerechnet bitcoinaffine Politiker wie Milei oder die US-Präsidentschaftsanwärter Ron DeSantis oder Robert Kennedy Junior mitunter stark ­polarisierende Ansichten zu Abtreibung, Waffenbesitz und der Corona-Impfung hegen? Bringt das nicht Bitcoin in eine Ecke, in die es gar nicht hingehört? Würde man es auch feiern, würde eine Partei wie die AfD in Deutschland Bitcoin loben? Und was, wenn Milei scheitert, was angesichts seiner Verrücktheit und der hohen Erwartungen, die er erweckt hat, nicht so unwahrscheinlich wäre? Würde das der Idee des Libertarismus und Bitcoin nicht enorm schaden?

Die Fragen sind berechtigt. Doch wenn Bitcoin wirklich das ­gegenwärtige Finanzsystem und Machtgefüge auf den Kopf stellen soll, dann ist es nicht unpolitisch. Es ist nur nicht parteipolitisch und passt nicht in das gängige Links-rechts-Schema. Dass sich Bitcoin bei Oppositionellen oft höherer Beliebtheit erfreut als bei Machthabern, ist nicht verwunderlich. Das kann sich ändern, wenn die Rollen wechseln.

Dass Menschen mit unkonventionellen Ansichten dem neuen Geld gegenüber oft aufgeschlossener sind als andere, ist auch nicht verwunderlich. Mit kollektivistischen Strömungen (von kommunistisch bis völkisch), die eine starke Rolle des Staats vorsehen, verträgt sich Bitcoin allerdings gene­rell nicht gut.

Geld für Feinde

Auch die Gefahr, dass Milei scheitert, zumal er im Parlament keine Mehrheit hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Selbst wenn es ihm gelingt, den Staat radikal zurückzudrängen, könnte es dauern, bis positive Folgen sichtbar werden. Ob die Argentinier so geduldig sind, wird sich herausstellen.

Bitcoin wird das nicht schaden. Auch das umstrittene (und letztlich noch offene) Experiment in El Salvador hat das nicht getan. Bitcoiner sagen oft, dass Bitcoin das „Geld für Feinde“ sei. Es ist erlaubnisfrei, jeder kann mitmachen, doch keiner kann es manipulieren. Das werden auch Politiker merken, die nur deshalb auf den Zug aufspringen, weil sie hoffen, dass ihnen das Stimmen bringt. Milei dürfte es allerdings ziemlich ernst sein mit seinen Ideen. Es bleibt jedenfalls spannend.

Auf einen Blick

Für Bitcoin war die vorige Woche durchaus aufregend: Der Wahl des Libertären Javier Milei zum argentinischen Präsidenten hat dem Kurs gutgetan. Als kurz darauf bekannt wurde, dass die US-Börsenaufsicht SEC hart gegen die Kryptobörse Binance vorgehen will, hat das den Kurs etwas nach unten gedrückt. Inzwischen hat er sich aber wieder erholt.

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