Pop-Nostalgie

Hits mit Schulterpolstern: Dave Stewart im Konzerthaus

Keine Angst vor der Vergangenheit: Dave Stewart mit Tochter Kaya Stewart.
Keine Angst vor der Vergangenheit: Dave Stewart mit Tochter Kaya Stewart.David Bitzan / DB-Photography
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Fiepsige Keyboards, Plastiksaxofon und Überkopfklatschen: Die Achtzigerjahre feierten mit Dave Stewarts Eurythmics-Nostalgieabend im Wiener Konzerthaus fröhliche Urstände.

Was ist bekömmlicher? Angst vor der Zukunft zu haben oder die Flucht in neue Narrative zu wagen? Mit ihrer sich tückisch in die Gehörgänge schleichenden Ballade „I Saved The World Today“ versuchte das britische Duo Eurythmics 1999 beides. Mit betörender Stimme malte Sängerin Annie Lennox damals den Teufel an die Wand, vergaß dabei aber nicht die Möglichkeit individueller Fluchten anzudeuten.

„Monday finds you like a bomb that’s been left ticking there too long”, die markante erste Zeile, singt nun Kaya, die Tochter von Dave Stewart. Leider zu glatt und zu eindimensional dem Schönklang verpflichtet. Annie Lennox, die mittlerweile fast 69-jährige Originalsängerin, wollte nicht mehr auf Tour gehen. Aber ihr Ex, der rastlose Gitarrist Dave Stewart, ist halt ein sentimentaler Narr, der immer noch in den alten Liedern wohnt. Um diese zum Leben zu erwecken, bot er nicht weniger als drei Sängerinnen auf. Die schon erwähnte, recht poppig klingende Kaya Stewart, die blues-rockige Vanessa Amorosi sowie eine gospelig intonierende weitere Vokalistin, als Iris vorgestellt. Keine von ihnen hatte allerdings auch nur im Ansatz jene dezente Ironie, die für die doppelbödigen Texte der Eurythmics essenziell wäre.

Im Grunde war das ja der Schmäh, mit dem dieses britische Duo in den Achtzigern knapp über 100 Millionen Tonträger verkaufte: fröhliche Keyboardriffs, kernige Gitarrensoli und als Kontrast dazu recht düstere Texte. Im Wiener Konzerthaus meinte Stewart, dass „I Saved The World Today“ die Ratlosigkeit des heutigen Menschen angesichts des Informationsoverkills vorweggenommen hat. „I hope you know it, if not, sing it!“ empfahl er.

Wo waren die „Sopranos“-Fans?

Obwohl die Lieder der Eurythmics via TV-Serien wie „Sopranos“ auch einer jüngeren Generation zum Begriff wurden, hatten sich im Konzerthaus hauptsächlich Langzeitfans mit Vorliebe fürs Überkopfklatschen eingefunden. Sie gingen die Sache jedenfalls recht konstruktiv an und würdigten die sieben Musikerinnen reichlich, mit denen sich der alte Gockel Dave Stewart umgab.

Damit ja keine schlechte Stimmung bei Lennox aufkommt, hat ihr der harmoniesüchtige Stewart sein Konzept vor Tourbeginn vorgestellt. Lennox gab dem Unternehmen ihren Segen. Trotz Nostalgiealarm kam niemand mit Schulterpolstern auf die Bühne. Die waren ohnehin in der Musik in Form von allerlei Zierrat (Mundharmonikasolos – wääh!) inkludiert. Stewart selbst präsentierte sich aber erwartungsgemäß als Mann der klanglichen Raffinesse. Er geigte scharf auf E-Gitarren, zupfte souverän halbakustische Instrumente. Manches im Repertoire klang altbacken, aber vieles erwies sich als zeitlos schön. „The Miracle Of Love“ und „Here Comes The Rain Again” etwa. Selbst ein Plastiksaxofon-Smooth-Jazz-Instrumental wie “Lily Was Here” konnte die Leute nicht verstimmen. Ganz ans Ende platziert war der Überhit „Sweet Things“, der sofort seine Urgewalt ausspielte. Da schien selbst im stumpf gespielten Beat eine geheime Eleganz zu wirken. Das schwebende Keyboardmotiv verlockte zu einem Tanz namens „Von-einem-aufs-andere-Bein-Steigen“. Diese Generation hat schon in ihrer Jugend hüftsteif getanzt. Jetzt im Alter kommt ihr das zugute.

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