Kirche

50 Jahre Fristenlösung: Bischöfe starten neue Debatte

Bischofskonferenz-Vorsitzender Franz Lackner (li.) und Kardinal Christoph Schönborn
Bischofskonferenz-Vorsitzender Franz Lackner (li.) und Kardinal Christoph Schönborn APA/Comyan /Barbara Gindl
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Mit einer eigenen Erklärung melden sich Österreichs Bischöfe zum 50. Jahrestag des Beschlusses der Fristenlegung zu Wort. Motto: „Frauen beistehen und Abtreibungen entschlossen reduzieren“. Familien-Bischof Hermann Glettler wendet sich gegen Ideologisierung. Die sei „völlig fehl am Platz, erst recht wenn das sensible Thema parteipolitisch besetzt und in Wahlkämpfe gezogen wird“.

Hilfe für Frauen in einer Konfliktschwangerschaft und begleitende Forschung seien „Gebot der Stunde“ um Schwangerschaftsabbrüche „entschlossen zu reduzieren.“ Schwangere dürften nicht alleine gelassen und zu Handlungen gedrängt werden. Das fordern die österreichischen Bischöfe in einer Erklärung, die eigens zum 50. Jahrestag des Beschlusses der Fristenlösung im Parlament gefasst wurde.

Am 29. November 1973 wurde das Gesetz der Straffreistellung für Abtreibungen unter bestimmten Voraussetzungen unter der SPÖ-Alleinregierung Bruno Kreisky beschlossen. Es trat mit 1. Jänner 1975 in Kraft. Vorangegangen waren dem heftige Auseinandersetzungen. ÖVP und katholische Kirche haben sich vehement gegen das Gesetz ausgesprochen. Kardinal Franz König hat sogar auf der Straße dagegen protestiert.

Jetzt schreiben die Bischöfe: „Wir müssen uns 50 Jahre nach Beschluss der Fristenregelung in Politik, Gesellschaft und Kirche erneut fragen, wie wir Frauen in einer Konfliktschwangerschaft effektiv beistehen können. Einerseits müssen ihre Rechte, ihre Würde und ihre Selbstbestimmung sowie andererseits auch jene ihres ungeborenen Kindes gewahrt bleiben.“

»„Es gibt kein ,Menschenrecht auf Abtreibung‘, weil das ein Widerspruch in sich ist: Es kann kein Menschenrecht sein, einer anderen Person ihr Menschenrecht auf Leben vorzuenthalten.“«

Bischofskonferenz

Erklärung zu 50 Jahre Fristenregelung

Durch Datenerhebung gelte es aufzuzeigen, „in welchen Krisen und Nöten sich schwangere Frauen befinden, um ihnen effektiv zur Seite zu stehen und Mut zum Kind zu machen“. Die Ergebnisse der Begleitforschung sollten zu gezielten Hilfen führen und konkrete Ansatzpunkte für flankierende Maßnahmen finden lassen. Diese seien zwar 1973 von der Politik einstimmig beschlossen, doch bis heute nicht vollständig umgesetzt worden.

„Du sollst nicht töten“

Die Fristenregelung gelte es als Entscheidung des Gesetzgebers „hinzunehmen“, halten die Bischöfe fest. Ihnen stehe auch keine moralische Verurteilung von Menschen zu, die einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich hätten. Dennoch bleibe das „Du sollst nicht töten!“ aus den Zehn Geboten weiter aufrecht. Diese Weisung schütze jene, „die auf den Schutz durch die Rechtsordnung angewiesen sind“, betonen die Bischöfe.

Auf ähnliche Weise ist es aus der Sicht der Kirchenvertreter wichtig, dass die Tötung eines Ungeborenen zumindest grundsätzlich unter Strafe stehen bleibt: Der Gesetzgeber signalisiere damit, dass das Leben des Kindes „grundsätzlich schützenswert“ sei. Ein „Menschenrecht auf Abtreibung“ hingegen dürfe aus der gesetzlichen Regelung niemals abgeleitet werden, da dies ein „Widerspruch in sich“ wäre: „Es kann kein Menschenrecht sein, einer anderen Person ihr Menschenrecht auf Leben vorzuenthalten“, so die Bischöfe. Problematisch sei auch, dass ein Frauenrecht auf Abtreibung die Väter völlig aus der Verantwortung nehme.

Keine „Gesundheitsleistung“

Falsch ist es nach Ansicht der Bischöfe, den Schwangerschaftsabbruch als „Gesundheitsleistung“ zu bezeichnen, gelte doch: „Weder ist eine Schwangerschaft eine Krankheit noch die Tötung des Ungeborenen die entsprechende Therapie.“ Aus diesem Grund lehne die Kirche auch die Durchführung von Abtreibungen in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen ab.

Sowohl die Frau als auch das ungeborene Kind hätten Rechte, Würde und Selbstbestimmung, die es zu wahren gelte, so die Bischöfe weiter. Allerdings sei Selbstbestimmung oft bloß eine „Fiktion“ für Frauen, die zur Abtreibung gedrängt werden. Dieses Problem scheine auch in der Gesellschaft angekommen zu sein, verweisen die Bischöfe auf eine im März präsentierte IMAS-Umfrage. 77 Prozent der österreichischen Bevölkerung würden sich demnach mehr Unterstützung für Frauen im Schwangerschaftskonflikt wünschen, „um ein Ja zum Kind zu ermöglichen“.

Familien-Bischof Hermann Glettler ergänzte im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress: Jede Verhärtung und Ideologisierung sei in der Debatte „völlig fehl am Platz, erst recht wenn das sensible Thema parteipolitisch besetzt und in Wahlkämpfe gezogen wird“. Ziel müsse sein, dass Kinder „angstfrei und ohne überbordende Sorgen zur Welt gebracht werden können“. Dafür gebe es noch vieles zu tun. (Kathpress)

Fristenregelung

Vor 50 Jahren, am 29. November 1973, hat der Nationalrat die von Justizminister Christian Broda ausgearbeitete Fristenregelung mit den Stimmen der SPÖ, die seit 1971 unter Bruno Kreisky über eine absolute Mehrheit verfügte, und gegen die Mandatare von ÖVP und FPÖ beschlossen. Am 1. Jänner 1975 ist das Gesetz in Kraft getreten. Innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft ist ein Abbruch strafffrei gestellt.

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