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Künstliche Intelligenz soll das Gehirn retten helfen

Schlaganfall ist nicht gleich Schlaganfall. Ein mobiles Gerät soll dank KI eine rasche Zuordnung liefern.
Schlaganfall ist nicht gleich Schlaganfall. Ein mobiles Gerät soll dank KI eine rasche Zuordnung liefern.Imago / Daniel Scharinger
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Neue Technologien könnten essenzielle Hinweise für die Behandlung von Schlaganfällen liefern.

Bei einem Schlaganfall zählt rasche und richtige Hilfe. Damit sie künftig noch besser gelingt, entwickelt Hannes Perko am Austrian Institute of Technology (AIT) ein Gerät, das künstliche Intelligenz nutzt. Es soll den Sanitäterinnen und Sanitätern am Einsatzort ohne Zeitverlust wertvolle Informationen liefern.

„Das kann man sich vorstellen wie eine Badehaube“, beschreibt Perko das Gerät, das an der Kopfhaut misst, wie es dem Gehirn ­darunter geht. Die Haube ist mit Elektroden bestückt und erstellt ein sogenanntes Elektroenzephalo­gramm (EEG). „Unsere Idee war, dass man mit einer kurzen EEG-Messung feststellt, ob ein großer Gefäßverschluss vorliegt oder nicht. Und mit diesem Gerät kann die Notfallsanitäterin oder der Notfallsanitäter vor Ort den Gefäßverschluss feststellen und die Patienten auf dem schnellsten Weg ins richtige Krankenhaus bringen“, erläutert Perko.

Gleich ins richtige Krankenhaus fahren

Die Betonung liegt hier auf „ins richtige Krankenhaus“, denn Schlag­anfall ist nicht gleich Schlaganfall. Ein Blutgefäß kann entweder platzen oder durch ein Blutgerinnsel – im Fachjargon auch als Thrombus bezeichnet – verstopft sein. Beides nennt man Schlaganfall, die Behandlung ist jedoch unterschiedlich, und nur spezialisierte Krankenhäuser können Thromben entfernen.

„In Tirol kommt jeder Schlaganfallpatient nach Innsbruck, die brauchen keine Unterscheidung, denn sie stellen das dort fest. In Wien ist es so, dass nur wenige Krankenhäuser die EVT (Endovaskuläre Schlaganfalltherapie, Anm.) machen können, und man muss wissen, wo man hinfährt“, schildert Perko und betont damit den Mehrwert des EEG-Geräts.

System sieht mehr als Mensch

EEG ist keine neuartige Technik. Neu ist die Analyse mittels künstlicher statt humaner Intelligenz. Mit dem aktuellen Hype hat das jedoch nur bedingt etwas zu tun, bereits vor Chat GPT waren künstliche neuronale Netze in bestimmten Bereichen sehr erfolgreich. „Früher haben wir EEG-Analysen für Epilepsie entwickelt, und seitdem man künstliche Intelligenz in diesem Bereich einsetzt, kann man damit Dinge machen, die ein Mensch nicht kann. Das sind sehr subtile Unterschiede, das sieht ein Mensch nicht mehr“, sagt Perko.

Einen Schlaganfall an Ort und Stelle zu erkennen spart wertvolle Zeit, da die Therapie am ehesten erfolgreich ist, wenn der Patient innerhalb von sechs Stunden behandelt wird. Aber auch die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem seien enorm, sagt Perko: „Wir schätzen, dass wir 60 Minuten Verzögerung ersparen können dadurch, dass es keinen Sekundärtransport gibt. Jede Minute Verzögerung bei einem Schlaganfall kostet circa 300 Euro. Wenn ich das multipliziere, dann komme ich auf 18.000 Euro.“

Die Analyse der künstlichen Intelligenz ist zwar gut, aber noch nicht perfekt. Die Sensitivität liegt bei 80 Prozent: Besteht also ein großer Gefäßverschluss, dann wird dieser in 80 Prozent der Fälle auch als solcher erkannt.

Verbesserte Prognose

Aktuell arbeitet Perko am AIT daran, das künstliche Gehirn noch treffsicherer zu machen. Partner aus der Industrie verpacken es in ein tragbares Gerät, andere arbeiten an der automatischen Datenübertragung in das Krankenhausinformationssystem und an einer App für den Rettungsdienst.

Sollte auch die geplante klinische Validierungsstudie erfolgreich sein, dann wird sich die Prognose der Schlaganfallpatienten mit großem Gefäßverschluss deutlich verbessern.

In Zahlen

19.000 Menschen erleiden jedes Jahr in Österreich einen Schlaganfall. Er ist die dritthäufigste Todesursache: 1,9 Prozent der Frauen und 1,4 Prozent der Männer sterben daran.

55,7 Prozent: So hat sich die Sterblichkeitsrate seit 1970 verringert. Gründe dürften ein besserer Lebensstil, Kontrolle der Risikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes), neue Therapien sein.

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