Prozess

31-Jähriger bei Prozess freigesprochen: Ex-Freundin „gefesselt und vergewaltigt“

Der Mann muss sich wegen Freiheitsentziehung und Vergewaltigung am Wiener Landesgericht verantworten.
Der Mann muss sich wegen Freiheitsentziehung und Vergewaltigung am Wiener Landesgericht verantworten.APA/GEORG HOCHMUTH
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Die Frau wollte eigenen Angaben nach noch Sachen aus der Wohnung ihres Ex-Freundes holen, als er sie zu Boden schlug und fesselte. Der 31-Jährige wurde nun freigesprochen.

Am 11. Juli 2023 ist eine Frau mit sichtbaren Verletzungen, barfuß und weinend von einer Polizeistreife in Wien-Meidling auf der Straße aufgelesen worden. Sie berichtete in weiterer Folge, ihr wäre soeben die Flucht gelungen, nachdem sie von ihrem Ex-Freund drei Tage lang in dessen Wohnung gefangen gehalten und mehrfach missbraucht worden sei. Der angebliche Täter - ein 31-jähriger, bisher unbescholtener Mann - wurde allerdings am Montagabend am Landesgericht freigesprochen.

Verteidigerin: „Alles erfunden und erlogen“

Am 11. Juli 2023 ist eine Frau mit sichtbaren Verletzungen, barfuß und weinend von einer Polizeistreife in Wien-Meidling auf der Straße aufgelesen worden. Sie berichtete in weiterer Folge, ihr wäre soeben die Flucht gelungen, nachdem sie von ihrem Ex-Freund drei Tage lang in dessen Wohnung gefangen gehalten und mehrfach missbraucht worden sei. Der angebliche Täter - ein 31-jähriger, bisher unbescholtener Mann - wurde allerdings am Montagabend am Landesgericht freigesprochen.

Dem Mann war Freiheitsentziehung und Vergewaltigung angelastet worden. Die Staatsanwältin bezeichnete die inkriminierten Vorgänge als „absolut schauderhaft“. Die 33 Jahre alte Frau sei unter Zufügung besonderer Qualen ihrer Freiheit beraubt und in besonders erniedrigender Weise mehrfach vergewaltigt worden. „Es ist nichts von dem passiert, was sie schildert“, hielt dem der Angeklagte entgegen. Noch deutlicher wurde seine Verteidigerin Ina-Christin Stiglitz: „Es ist alles erfunden und erlogen.“

„Angaben des Opfers in entscheidenden Passagen nicht nachvollziehbar“

Ein Schöffensenat (Vorsitz: Stefan Huber) fällte nach einer langen Beratungszeit kurz vor 17.00 Uhr einen Freispruch, den bei der Verhandlung anwesende Angehörige des Angeklagten - darunter der Vater und der Bruder - mit lautstarkem Applaus quittierten. Der Freispruch sei im Zweifel erfolgt, erläuterte der vorsitzende Richter. Die Verantwortung des Angeklagten sei „alles andere als nachvollziehbar“. Das gelte jedoch auch für die Darstellung der Frau: „Die Angaben des Opfers sind in entscheidenden Passagen nicht nachvollziehbar.“ Vor allem würden sich bei ihr festgestellte, objektivierte Verletzungen nicht mit ihren Beschreibungen zu den angeblichen Tatabläufen decken. „Dafür, dass es so wie sie sagt stattgefunden hat, gibt es Zweifel. Das Bild ist nicht schlüssig. Das passt für uns so nicht zusammen“, sagte der Richter. Wenn Aussage gegen Aussage stünde, sei im Zweifel zugunsten des Angeklagten vorzugehen.

Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Sie erbat jedoch eine Protokollabschrift mit den unter Wahrheitspflicht getätigten Angaben der Zeugin. Auf die Frau dürfte ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage zukommen. Strafdrohung: bis zu sechs Monate Haft. Ihr Ex-Freund wurde nach der Verhandlung enthaftet. Er war fast fünf Monate in U-Haft gesessen.

Ex-Freundin wollte noch Gegenstände aus der Wohnung abholen

Sie sei nach dem Ende der Beziehung noch ein Mal in die Wohnung ihres Ex-Freundes gekommen, um persönliche Gegenstände abzuholen, hatte die 33-Jährige erklärt. Der Angeklagte habe sie dabei zu Boden geschlagen, überwältigt, mit den Haaren aufs Bett gezerrt und sie mit Kabelbindern an Händen und Füßen gefesselt und ihr den Mund verklebt, nachdem er ihr eine Schreckschusspistole in den Mund bzw. gegen die Schläfe gedrückt hatte, behauptete sie. Auch in der Nacht sei sie gefesselt geblieben. Erst am dritten Tag sei sie entkommen, indem sie dem Mann vormachte, ihn noch zu lieben ihn, worauf er Essen holen wollte. Diese Gelegenheit habe sie genutzt, um sich zu befreien und aus der Wohnung zu flüchten.

„Es gab keine Trennung“, versicherte dagegen der Angeklagte in seiner Einvernahme. Seine Freundin sei an den Tagen vor dem 9. Juli einfach verschwunden gewesen und habe ihm nicht verraten wollen, was ihr widerfahren sei, als sie mit deutlich sichtbaren Verletzungsspuren wieder bei ihm auftauchte. Er habe zu diesem Zeitpunkt schon von ihrer Tätigkeit als Prostituierte gewusst, zudem sei er davon ausgegangen, dass sie als Geldwäscherin für eine dubiose Gesellschaft gearbeitet habe. Die Wohnung habe man dann drei Tage nicht mehr verlassen und „eine schöne Zeit“ verbracht: „Das war nichts Ungewöhnliches, dass wir drei Tage im Bett liegen, Film schauen, essen. Sie wollte sich ausruhen. Wir haben schöne Filme angeschaut, romantische Dramen.“

Wiederholt sei es auch zu Sex gekommen, auf Wunsch seiner Partnerin mit Fesselungsspielen und einem Elektroschocker: „Sie hat darauf bestanden, dass ich diese Praktiken ausübe. Das war in ihrem Interesse.“ Er habe ihr diesen Wunsch erfüllt, obwohl er von BDSM grundsätzlich nicht halte, erklärte der Angeklagte die dokumentierten, auf Fotos festgehaltenen Verletzungen der 33-Jährigen, die sich im Gerichtsakt befinden.

„Das war eine Inszenierung“

Auf die Frage, warum ihn die Frau belaste, erwiderte der 31-Jährige, er habe am Ende durchschaut, dass diese neben ihm parallel Beziehungen zu weiteren Männern unterhalten habe: „Ich bin eine Gefahr für ihr Liebesbeziehungsgeschäft. Anscheinend hat sie Angst bekommen, dass ich ihr Geschäftsmodell kaputt mache.“ Er habe „ganz normal“ Essen holen wollen, da sei sie barfuß auf die Straße gelaufen und habe zum Schein um Hilfe gesucht: „Das war eine Inszenierung. Sie wollte das dramatisieren.“ Im Übrigen schulde ihm die 33-Jährige noch rund 60.000 Euro, die er für sie ausgelegt bzw. ihr geborgt habe.

Im Anschluss wurde das Video mit der im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch vernommenen Frau teilweise abgespielt, der Rest wurde verlesen. Die 33-Jährige bestätigte zunächst, als Prostituierte tätig zu sein und auch in Salzburg und Klagenfurt Stammkunden zu betreuen. Mit dem Angeklagten habe sie „eine schöne, liebevolle, respektable Beziehung“ gehabt: „Geliebt habe ich ihn nicht.“ „Heimlich“ und dann endgültig verlassen habe sie ihn aufgrund seiner Eifersucht und weil er einmal handgreiflich geworden sei. Das habe er nicht akzeptiert: „Er hat gesagt, ich kann ihn nicht verlassen.“ Danach schilderte die Frau die von der Anklage umfassten Handlungen, wobei sie betonte, während ihres Martyriums mehrfach das Bewusstsein verloren habe. Der Angeklagte habe sie auch „eingeschüchtert“, indem er erklärte, er habe ihr „schon das Grab geschaufelt“. (APA)

Hilfe und Unterstützung für Frauen

Hier finden Sie eine gesammelte Übersicht der Telefonnummern, die Frauen in Gewaltsituationen helfen. Sie wurden vom Wirtschaftsministerium zusammengestellt. Der Polizeinotruf ist 133. Die Rettung erreichen Sie unter 144. Internationaler Notruf ist 112.

Bei akuten Gewaltsituationen (kostenlos und 24/7 erreichbar)

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Hier sind Expertinnen rund um die Uhr erreichbar und bieten Ersthilfe und Krisenberatung. Bei akuter Gefahr wird rasch für Hilfe gesorgt.

Opfernotruf: 0800/112 112
Hier gibt es für von Gewalt Betroffene anonyme Hilfe durch Psychologen und professionell ausgebildete Helfer. Zudem wird Rechtsberatung angeboten.

Anlaufstellen und BeratungGewaltschutzzentren Österreich

Tel: 0800 / 700 217

www.gewaltschutzzentrum.at

Frauen und Kinder, die Gewalt in der Familie erleiden, können hier kostenlos und vertraulich mit Beratern sprechen.

Frauenhäuser

·        www.frauen-familien-jugend.bka.gv.at/frauen/anlaufstellen-und-frauenberatung/frauenhaeuser (Übersicht des Frauenministeriums)

·        www.aoef.at (Autonome Österreichische Frauenhäuser)

·        www.frauenhaeuser-zoef.at (Zusammenschluss österreichischer Frauenhäuser)

Frauenhäuser bieten Frauen, die Gewalt in der Familie erleiden, und ihren Kindern eine sichere Wohnmöglichkeit. Insgesamt gibt es rund 30 Frauenhäuser in Österreich, die in zwei Verbänden vernetzt sind (siehe Links). Die Häuser stehen allen von Gewalt betroffenen Frauen offen. Einkommen, Nationalität oder Religion spielen keine Rolle.

Notruf Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen: 01/523 22 22

www.frauenberatung.at

Diese Wiener Beratungsstelle steht Mädchen und Frauen offen, die von sexueller Gewalt betroffen sind. Sie richtet sich auch an Familienangehörige, Kollegen, Lehrer oder Freunde Betroffener, die Rat brauchen. Auch rechtliche Schritte können besprochen werden.

Weißer Ring

www.weisser-ring.at

Die Verbrechensopferhilfe Weißer Ring bietet kostenfreie Rechtsberatung, schwerpunktmäßig bei Fragen zu Schadenersatz, Opferrechten und zum Verbrechensopfergesetz

Anlaufstellen für Männer

Männerberatung Wien
www.maenner.at, +43 1 603 28 28

Männerinfo

www.maennerinfo.at, 0720 / 70 44 00

Männerberatung bei Gewalt in der Familie, Krisenintervention, Deeskalation, Konfliktberatung. In allen Bundesländern.

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