Die polnische Schriftstellerin Hanna Krall spricht mit der „Presse am Sonntag“ über das Warschauer Ghetto und darüber, wie sie als jüdisches Kind den Zweiten Weltkrieg überlebte, das graue Polen unter dem Kommunismus und über Putins Verbrechen an Ukrainern – und Russen.
Sie wurden 1935 geboren und überlebten als Kind aus jüdischer Familie die deutsche Besatzung. Sie schreiben seit Jahren über den Zweiten Weltkrieg und die Verfolgung der Juden in Polen, aber nicht direkt über sich.
Hanna Krall: Das Buch „Die Untermieterin“ (1975) handelt indirekt von mir. Sonst schlängelt sich meine Geschichte durch mein Werk. Ich spreche nicht gern von mir in der ersten Person, denn ich glaube, das Schreiben in der dritten Person bietet größere Chancen für die Verallgemeinerung. Nehmen Sie ein Beispiel, bei dem Gut und Böse zusammentreffen: Eine Mutter und ihre Tochter werden verhaftet, denn das Mädchen sieht sehr jüdisch aus. Die Mutter sagt: „Ich habe schon genug gelebt, du sollst frei sein.“ Doch die Tochter fürchtet: „Ohne dich kann ich nicht leben.“ So streiten sie die ganze Nacht im Polizeiarrest. Da kommt am nächsten Morgen ihre ehemalige Nachbarin, schlägt einen Riesenwirbel, gibt sich als Schwester der Mutter aus und legt ihren Taufschein vor. Mutter und Tochter werden freigelassen.
Nicht jeder war zu so einem Schritt fähig.