Essay

Was darf der Antisemit an deiner Uni?

<strong>Ein falsches Wort genügt, um von der Uni zu fliegen? </strong>Studentendemonstration in New York.
Ein falsches Wort genügt, um von der Uni zu fliegen? Studentendemonstration in New York.Foto: Ed Jones/Picturedesk
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Seit Jahrzehnten wird beklagt, dass an US-Unis alles, was die Gutmenschen störe, zensiert
werde. Die Unis haben sich als Reaktion darauf in eine extreme Pose geworfen, was Redefreiheit angeht. Jetzt, nach dem 7. Oktober, wird ihnen vorgeworfen, zu wenig zu zensieren.

Wir Lehrende und Studierende an US-Colleges durchleben schwierige Zeiten. Und die Welt schaut uns, mehr denn je, dabei zu. Bilder und Anekdoten von Campussen gehen viral: schneller, als man nachschauen kann, wie sie zustande kamen. Und weil amerikanische Universitäten als Institutionen vor nichts größere Angst haben als vor schlechter Publicity und Klagen, werden sicher noch monatelang Komitees, Schiedssprüche, Disziplinarverfahren im Hintergrund laufen. Ein klares Bild dessen, wie es an amerikanischen Campussen seit dem 7. Oktober 2023 zuging, wird sich erst mit der Zeit ergeben, wenn überhaupt. Denn wie immer, wenn sich Universitäten in strategisches Schweigen hüllen, reden andere umso mehr.

Ihren vorzeitigen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung in einer Anhörung des Ausschusses des Repräsentantenhauses in Washington. Drei Präsidentinnen von Elite-Universitäten – Claudine Gay aus Harvard, Liz Magill von UPenn und Sally Kornbluth von MIT – sollten sich in einer mehrstündigen Anhörung für einen angeblichen sich an College-Campussen Bahn brechenden Antisemitismus verantworten. Der Vorwurf deckt sich in etwa mit dem, den Kevin Kiley, ein kalifornischer Abgeordneter, in Stunde drei der Anhörung an Claudine Gay richtete. Sie betrachte die „Kräfte des Antisemitismus“ wohl als „Interessengruppe, der man es recht machen muss. Ich glaube, das zeigt sich deutlich an Ihrem Schweigen, Ihren sorgfältig durchdachten Aussagen.“

Übrig blieb von dem langen Verhör vor allem ein viraler Clip von ungefähr drei Minuten, in dem die drei Präsidentinnen sich nicht festlegen wollten, ob der „Ruf nach einem Genozid an Juden“ Disziplinarmaßnahmen oder einen Verweis von der Universität nach sich ziehen würde.

„Die Regeln für Mobbing und Belästigung sind sehr spezifisch“

Die Antworten der drei waren allesamt verklausuliert und verhaspelt. Kongressabgeordnete Stefanik fragte: „Dr. Gay, verstößt die Forderung nach einem Völkermord an den Juden gegen die Harvard-Regeln zu Mobbing und Belästigung?“ Gays Antwort: „Die Regeln für Mobbing und Belästigung sind sehr spezifisch. Und wenn der Kontext, in dem diese Sprache verwendet wird, auf Mobbing und Belästigung hinausläuft, gehen wir dagegen vor.“ Alle drei Präsidentinnen fielen immer wieder darauf zurück: Es kommt darauf an.

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