Wissenschaft

Neandertaler rücken näher

Ein Mädchen schaut durch den Schädel eines Neandertaler. Und er schaut mit: Gene von ihm sind in uns.
Ein Mädchen schaut durch den Schädel eines Neandertaler. Und er schaut mit: Gene von ihm sind in uns. Nikola Solic / REUTERS / picturedesk
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Je mehr wir lernen über unsere frühen Brüder, desto ähnlicher werden sie uns, und desto rätselhafter wird ihr Verschwinden.

Haben sie sich gar mit Fellen des größten Raubtiers ihrer Zeit geschmückt, mit denen der an den Schultern 1,60 Meter hohen Höhlenlöwen? Das wäre die jüngste Überraschung unserer Brüder, die vor 40.000 Jahren verschwunden sind und die beim Auftauchen ihrer Spuren höchst unwillkommen waren: Die ersten fossilen Funde, in den 1840er-Jahren in Belgien und Gibraltar, rechnete man Affen zu, beim dritten anno 1856 im Neandertal nahe Düsseldorf – benannt nach einem Pastor Neumann, der seinen Namen gräzisiert hatte –, war das nicht mehr möglich, es brauchte andere Distanzierungen: Die Kirche ignorierte den neuen Menschen, die Wissenschaft erklärte ihn zu einem alten, degenerierten, bzw. „einem Idioten, vermutlich keltischer Herkunft“, so der Anthropologe Franz Bruner.

Das lag auch daran, dass der Fund eine „verfrühte Entdeckung“ war, befand 150 Jahre später der Anthropologe Philipp Tobias (Annales Zoologici Fennici 28, S. 371): Darwins „Origine of Species“ war noch nicht publiziert, und dieser Frühmensch war der erste Neue in unserer Familie, die Ahnen in Afrika fanden sich später und hatten mit der gleichen Ignoranz zu kämpfen.

Man hielt sie für grobschlächtige Jäger, aber bei ihnen kam Vieles auf den Tisch

Die ließ sich auf Dauer nicht halten, auch bei den Neandertalern nicht, man distanzierte anders, schrieb ihnen wenig Verstand und viel Körperkraft zu und eine entsprechende Lebensweise als Jäger von Großwild. Hinter dem waren sie auch her, von Bisons bis zu Waldelefanten, die größer waren als Mammuts, bis zu vier Meter hoch und 13 Tonnen schwer. Die Knochen von über 70 fanden sich nahe Halle in Deutschland, die Tiere wurden vor 125.000 Jahren erbeutet, jedes warf 2500 Tagesportionen zu 4000 Kilokalorien ab, Lutz Kindler (Neuwied) hat es berechnet und geschlossen, dass sich zu solchen Jagden Gruppen zusammen taten und nicht nur über diese soziale Technik verfügten, sondern auch über die der Konservierung der enormen Mengen Fleisch (Pnas 3. 12.).

Aber es kam auch anderes auf ihre Tische, und sie schlangen es nicht roh hinab: Eine Gruppe, die vor 90.000 Jahren bei Lissabon am Meer lebte, sammelte Krabben (Frontiers in Environmental Archaeology 2023.1097815), andere waren hinter schwer zu erbeutendem Kleingetier wie Kaninchen her, wieder andere ergänzten die Fleischkost mit Grünzeug, in versteinertem Kot in Spanien fanden sich Pflanzenfette (PLoS One 0101045), in Italien zeugten Mahlsteine von Mehl aus Grassamen (Quaterny Science Reviews 312 108161).

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