Vierschanzentournee

Österreicher unter Druck: Polen-Cheftrainer Thurnbichler steckt im Tief

Thomas Thurnbichler
Thomas Thurnbichler GEPA pictures / Thomas Bachun
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Thomas Thurnbichler, 34, braucht Erfolge, um Polens erfolgsverwöhnte Skisprungszene, Fans und Medien zu beruhigen. Der Tiroler hadert, seinen Co-Trainer Marc Nölke schmiss er bereits raus.

Während die österreichischen und deutschen Skispringer die bisherige Weltcup-Saison bestimmen, leiden die polnischen Hoffnungsträger von Cheftrainer Thomas Thurnbichler auch bei der 72. Vierschanzentournee an chronischer Erfolglosigkeit. In Oberstdorf suchten die in der Vergangenheit so dominanten und in der skisprungverrückten Heimat so beliebten Stars Kamil Stoch und Dawid Kubacki weiter den Anschluss an die Weltspitze. Thurnbichler spürt Druck.

Statt um den Tourneesieg mitzureden, muss der 34-jährige Tiroler derzeit Misserfolge erklären. „Es ist das erste Mal richtig schwer, ich spüre sehr viel Druck von außen“, sagte Thurnbichler im Auslauf der Oberstdorfer Arena. Er versuche, ein bisschen durch die Saison zu tanzen und seine Schützlinge bestmöglich durchzubringen. Mit Stoch liegt der beste Pole nach dem Auftaktspringen auf Platz 17, Kubacki und Piotr Zyla belegen die Ränge 27 und 28. Im Nationencup sind die Polen nur Siebenter.

Zu allem Überfluss ist wenig Besserung in Sicht. „In Polen ist der Generationenwechsel übersehen worden“, erklärte Thurnbichler. Stoch und Zyla sind 36 Jahre alt, Kubacki ist mit seinen 33 Jahren ebenfalls nicht mehr der Jüngste. „Wir versuchen seit einem Jahr, die ersten Schritte einzuleiten. Aber diese Sachen brauchen ihre Zeit“, sagte der ehemalige ÖSV-Springer. „In Wahrheit müssten wir mehr Energie in die Struktur stecken als in den Weltcup.“ Verbandspräsident Adam Malysz, selbst eine polnische Skisprung-Legende, stehe derzeit noch hinter ihm. „Er sieht auch das Gesamte. Ich habe einen Vertrag bis Olympia 2026 und habe noch nichts anderes gehört.“

Zuletzt trennte sich Thurnbichler von Co-Trainer Marc Nölke, es sei die „schwerste Entscheidung“ in seiner Trainerkarriere gewesen. Die fachliche Qualifikation des Deutschen sei jedenfalls nicht der Grund für die Entlassung gewesen. Mit seinen Athleten führt Thurnbichler derzeit viele Gespräche. „Für Kamil wird es immer schwieriger. Auch, daran zu glauben, es wieder aufs Podest zu schaffen“, sagte der Coach über den dreifachen Tourneesieger.

Bei Kubacki müsse die Gesamtsituation betrachtet werden, beim Bergisel-Sieger und Tournee-Zweiten 2023 sowie Tourneesieger 2019/20 nahm die eigene Familie zuletzt eine noch wichtigere Rolle ein. Denn nach der Geburt seiner zweiter Tochter im Jänner musste seine Frau Marta wegen Herzproblemen ins Krankenhaus und kämpfte ums Überleben. „Er hatte im Sommer den Fokus nicht immer 100 Prozent beim Skispringen“, erklärte Thurnbichler und zeigte Verständnis. Die Regeneration kam bei Kubacki bei gleichem Trainingsaufwand zu kurz, dadurch musste er sich immer wieder mit kleineren Verletzungen herumplagen.

Ein weiterer Star der Szene ist derzeit ebenfalls verzweifelt. Fassungslos und mit ratlosen Blicken nahm Titelverteidiger Halvor Egner Granerud sein Schicksal bei der laufenden Tournee hin, Platz 48 in Oberstdorf war für den 27-jährigen Norweger ein Tiefschlag und der Abschied von jeglichen Sieghoffnungen. „Ich bin sprachlos und ein wenig überrascht. Ich kann es nicht erklären, es ist ein furchtbarer Start“, sagte der Vorjahressieger nach seinem Horror-Auftakt im Allgäu.

In der vergangenen Saison war Granerud seiner Konkurrenz noch laufend davongesprungen, holte sich überlegen den Tourneesieg und mit zwölf Siegen die große Kristallkugel für den Gesamtweltcup. Bei der Generalprobe in Engelberg vor Weihnachten schöpfte der Schützling des Tiroler Cheftrainers Alexander Stöckl mit einem vierten Platz noch Hoffnung, ehe er im ersten von acht Tournee-Sprüngen schlimm abstürzte. „Es ist wirklich eine Schande“, sagte Granerud niedergeschlagen.

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