Krieg

UN-Kommissar Türk: „Kollektive Bestrafung der Palästinenser ist ein Kriegsverbrechen“

Archivbild von einer Rede von UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk im New Yorker UNO-Hauptquartier.
Archivbild von einer Rede von UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk im New Yorker UNO-Hauptquartier.Unbekannt
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Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte bei der UNO, sieht verurteilt den Angriff der Hamas auf Israel als mögliches Kriegsverbrechen. Doch auch bei der Reaktion Israels gebe es „schwere Bedenken“, sagt der Österreicher.

Während Israel seine Angriffe im gesamten Gazastreifen mit unverminderter Härte am Dienstag fortsetzte, sieht der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, Anzeichen für Kriegsverbrechen und womöglich auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit im neuen Nahost-Krieg. Er nannte im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur auf der Seite der Palästinenser u. a. die Hamas-Massaker vom 7. Oktober, hat zugleich aber „schwere Bedenken“, was die Reaktion Israels darauf betrifft.

Auch im wahllosen Abfeuern von Geschossen auf Israel und dem militärische Agieren aus zivilen Einrichtungen heraus, sieht der Österreicher Türk Anzeichen für Kriegsverbrechen auf palästinensischer Seite. Zu Israel sagte Türk der Deutschen Presse-Agentur in Genf: „Wenn man sich anschaut, wie Israel darauf reagiert hat, da habe ich schwere Bedenken, was die Einhaltung sowohl der Menschenrechte als auch des internationalen humanitären Rechts betrifft.“ Bei den schweren israelischen Bombardierungen seien 70 Prozent der Betroffenen Frauen und Minderjährige. „Man kann davon ausgehen, dass der Großteil von denen, die getroffen worden sind, Zivilisten sind“, sagte der Österreicher. „Darüber hinaus ist eine kollektive Bestrafung der Palästinenser ein Kriegsverbrechen. Natürlich müssen letztlich Gerichte beurteilen, wer welche Straftaten begangen hat.“

Ob es im Gaza-Krieg Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt, sei schwer zu beurteilen. Damit sind zum Beispiel großangelegte oder systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung gemeint. Um das zu beurteilen, müsse auch untersucht werden, ob dahinter eine entsprechende Absicht stehe. Nach Angaben von Türk gibt es Anzeichen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden sein könnten: „Angesichts der unverhältnismäßigen und sehr schweren Bombardierungen, in Kombination mit dem Mangel an wirksamer humanitärer Hilfe gibt es schwere Bedenken, die näher geprüft werden müssen.“

Israel hat Kontakt zu UN-Menschenrechtsbüro 2020 abgebrochen

Das UNO-Menschenrechtsbüro, das Türk leitet, verlangt die Freilassung der aus Israel verschleppten Geiseln, ein Ende der ziellosen Angriffe seitens der islamistischen Hamas, ein Ende der israelischen Bombardierungen sowie ausreichenden Zugang für humanitäre Hilfe. Israel lässt nur eine begrenzte Anzahl von Lastwagen in das Gebiet, und humanitäre Organisationen sagen, eine systematische Verteilung sei wegen der dauernden Bombenangriffe nicht möglich. Israel habe den Kontakt zu seinem Büro 2020 auf Eis gelegt. Das geht zurück auf eine vom UNO-Menschenrechtsrat verlangte und seinerzeit veröffentlichte Liste mit Firmen, die am Bau illegaler israelischer Siedlungen in besetzten palästinensischen Gebieten beteiligt sind.

Israel und die Hamas befinden sich seit fast drei Monaten im Krieg. Auslöser war ein Großangriff der militanten Palästinenser-Organisation Hamas auf Israel, bei dem am 7. Oktober rund 1.200 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem bombardiert Israel Ziele im Gazastreifen und begann eine Bodenoffensive - mit dem Ziel, die Hamas zu vernichten. Laut Angaben des von der radikalislamischen Organisation kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit Kriegsbeginn fast 20.000 Menschen im Gazastreifen getötet. Dem israelischen Militär zufolge wurden seit Beginn der Offensive gegen die Hamas zudem 173 israelische Soldaten getötet. (APA/dpa)

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