Ordinationen

Ärztekammer fordert Startbonus für alle Kassenstellen

Finanzielle Anreize sollen zu mehr Neugründungen von Kassenordinationen führen. Das ist der Plan der Bundesregierung und der Österreichischen Gesundheitskasse.
Finanzielle Anreize sollen zu mehr Neugründungen von Kassenordinationen führen. Das ist der Plan der Bundesregierung und der Österreichischen Gesundheitskasse. Clemens Fabry
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Jene 100.000 Euro, die den Gründerinnen und Gründern neuer Kassenstellen zur Verfügung gestellt werden, sollten auch allen anderen neu eröffneten Ordinationen angeboten werden.

Die Meldung, wonach sich der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zufolge 100 Allgemeinmediziner und 200 Fachärzte für die neu geschaffenen 100 Kassenstellen vorgemerkt hätten, sei „grundsätzlich positiv“, aber sie sei noch kein Grund für eine umfassende Jubelmeldung, sagt Edgar Wutscher, selbst Hausarzt und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte der Österreichischen Ärztekammer: „Wir haben derzeit massive Versorgungsprobleme, unabhängig von den 100 zusätzlichen Kassenstellen sind nach wie vor fast 300 Stellen unbesetzt – und diese lassen sich nicht durch die aktuellen Bewerbungen ignorieren.“ Die Problematik sei eine tiefgreifende, die nur „mit einem ganzen Maßnahmenpaket“ lösbar sei.

Aus der Bewerberzahl allein lasse sich jedenfalls nicht beurteilen, wie zielgenau die Bewerbungen sind, sagt Dietmar Bayer, stellvertretender Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Aus der bloßen Zahl lässt sich noch keine Verbesserung ableiten, denn wichtig ist beispielsweise: Wie viele davon sind Allgemeinmediziner und in den Regionen, in denen gesucht wird, verfügbar? Wie viele davon sind Kinderärzte und Gynäkologen? Wie viele von ihnen erfüllen dann die geforderten Kriterien für eine Kassenarztstelle?“

100 Euro Startbonus für alle

Begrüßenswerte sei, dass für die 100 neu geschaffenen Kassenstellen ein Startbonus von bis zu 100.000 Euro geschaffen wurde, um die Erstausstattung der neuen Ordinationen zu unterstützen. Grundsätzlich müsse jedoch überlegt werden, diesen Startbonus auf die derzeit offenen Kassenarztstellen auszubauen: „Diese finanzielle Hilfestellung unterstützt vielleicht dabei, bestehende offenen Stellen schneller zu besetzen“, sagt Wutscher. Bayer ergänzt: „Eine Kassenstelle zu übernehmen ist immer auch mit Investitionen verbunden, die manche verunsichern oder auch abschrecken.“ Daher solle der Startbonus von bis zu 100.000 Euro für alle offenen Kassenstellen gelten.

Um langfristig die öffentliche Versorgung zu sichern, müssten zudem die Rahmenbedingungen endlich verbessert werden. „Der Startbonus ist ein gutes Zuckerl, aber das allein wird nicht reichen, um langfristige Änderungen zu bewirken“, so Wutscher. Es fehle immer noch der einheitliche Leistungskatalog, zudem müssten die Honorare leistungsgerechter werden: „Eine leistungsbezogene Honorierung ohne Limits wird das Kassensystem für viele Ärztinnen und Ärzte wieder interessanter machen – und zwar auch langfristig.“ Würden Limits konsequenterweise gestrichen werden, werde das den Kassenbereich aufwerten.

Mehr ärztliche Hausapotheken gefordert

Ein weiterer Punkt sei die Lockerung der Regelungen bei ärztlichen Hausapotheken: „Wenn Ärztinnen und Ärzte selbst Medikamente abgeben dürften und mehr Hausapotheken erlaubt wären, dann wären das auch Maßnahmen, die helfen würden, die offenen Kassenstellen wieder zu besetzen“, sagt Wutscher. „Die öffentliche Gesundheitsversorgung muss gestärkt werden, um die flächendeckende Versorgung wieder herzustellen und offene Kassenstellen erfolgreich zu besetzen – und da benötigen wir ein ganzes Maßnahmenpaket, das langfristig Änderungen bewirkt.“

„Mehr, als wir erwartet haben“

Am Freitag hatte das Gesundheitsministerium mitgeteilt, dass die von der Bundesregierung angekündigten 100 zusätzlichen Kassenstellen für Allgemein- und Fachmediziner auf reges Interesse stoßen würden. Bereits 300 Interessentinnen und Interessenten hätten dafür beworben. Fixiert wurde auch die Aufteilung nach Bundesländern. Sie erfolgt nach dem Bevölkerungsschlüssel.

Der Aufruf an Personen, die sich für die neuen Kassenarztstellen bewerben möchten, erging erst kürzlich: Die ÖGK lud Mitte Dezember Interessierte dazu ein. Geschaffen werden laut Gesundheitsministerium vor allem Stellen für Allgemeinmedizin sowie Kindermedizin. Auch Kassenstellen für Gynäkologie, Psychiatrie bzw. Kinderpsychiatrie, Augenheilkunde sowie Haut- und Geschlechtskrankheiten werden neu eingerichtet.

Für jede dieser Kassenstellen wurde ein Startbonus von bis zu 100.000 Euro geschaffen, um die Erstausstattung der neuen Ordinationen zu unterstützen. Beide Maßnahmen wurden noch im Dezember im Nationalrat beschlossen. Am 1. Jänner trat nun die Verordnung in Kraft, die die regionale und fachliche Aufteilung regelt. Damit seien die Voraussetzungen zur Vergabe dieser Kassenverträge geschaffen.

Die regionale Verteilung sieht folgendermaßen aus: Das Burgenland erhält drei Stellen, Vorarlberg vier, Kärnten und Salzburg sechs, Tirol neun, die Steiermark 14, Oberösterreich 17, Niederösterreich 19 und Wien 22.

Laut dem Generaldirektor der ÖGK, Bernhard Wurzer, wurden rund 100 Allgemeinmediziner und 200 Fachärzte vorgemerkt. Mit dem Andrang ist man jedenfalls zufrieden. „Das ist deutlich mehr als wir erwartet haben“, betonte Wurzer. Mindestens 50 neue Kassenstellen sind laut ÖGK für die Fächer Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendheilkunde sowie bei besonderem regionalen Bedarf Innere Medizin vorgesehen.

Die Hälfte der 100 neuen Posten soll in Primärversorgungseinheiten eingerichtet werden. Die genaue Aufteilung, so hieß es, erfolge in den jeweiligen Bundesländern basierend auf den regionalen Gegebenheiten durch die Sozialversicherung.

„Maßnahme zeigt Wirkung“

„Das große Interesse zeigt, dass unsere Maßnahme richtig ist und Wirkung zeigt. Durch den Startbonus von 100.000 Euro wird eine Kassenarztstelle wieder attraktiver, weil es den künftigen Kassenärztinnen und -ärzten die Finanzierung ihrer Ordinationsräume erleichtert“, hob Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hervor. Man sei guten Mutes, dass die 100 neuen Stellen rasch besetzt werden könnten.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zeigte sich über das Interesse ebenfalls erfreut. „Wir schaffen die 100 neuen Kassenstellen in jenen Bereichen und Fächern mit großem Bedarf. Das ist ein wichtiger Schritt, um die Gesundheitsversorgung im niedergelassenen Bereich spürbar zu verbessern.“

Der in so kurzer Zeit erfolgte Andrang beweise, dass die Richtung stimme, sagt Moritz Mitterer, der Vorsitzende der Dienstgeber-Kurie in der ÖGK-Hauptversammlung und Bundesgeschäftsgeschäftsführer des Wirtschaftsbundes Österreich: „Besonders der Startbonus von bis zu 100.000 Euro macht die Stelle als Kassenarzt wieder attraktiver und unterstützt Ärzte bei der Finanzierung ihrer eigenen Ordinationsräume. Nun gilt es, die 100 neuen Stellen rasch zu besetzen.“

Für FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak ist es hingegen kein Wunder, dass es bei den hohen Prämien viele Interessenten gebe. Zugleich seien aber auch dreihundert Kassenstellen derzeit unbesetzt, gab er zu bedenken. Auch den Fokus auf Primärversorgungszentren kritisiert er: „In dünn besiedelten Bereichen wird sich der Ärztemangel dadurch weiter zuspitzen, weil derartige Zentren in Gebieten angesiedelt werden, wo das Einzugsgebiet auch vorhanden ist.“ (red.)

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