Fragen und Antworten

Der US-Verteidigungsminister, der drei Tage im Krankenhaus lag, ohne dass es Präsident Biden wusste

Lloyd Austin empfängt seinen saudischen Amtskollegen Khalid bin Salman (l.) am 1. November 2023 in Arlington, Virginia.
Lloyd Austin empfängt seinen saudischen Amtskollegen Khalid bin Salman (l.) am 1. November 2023 in Arlington, Virginia.Win McNamee
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Selbst US-Präsident Joe Biden hat nichts vom Krankenhausaufenthalt seines Verteidigungsministers Lloyd Austin gewusst. Hat der Minister damit gegen Regeln verstoßen? Der Fall beschäftigt sowohl Kongress, Pentagon als auch die Öffentlichkeit. Sein Rücktritt wird gefordert, gilt aber als ausgeschlossen.

Wer krank ist, sagt zumindest seinem Chef Bescheid? Was für normale Arbeitende gilt, muss noch lange nicht für einen US-Verteidigungsminister gelten. Doch die nicht vorhandene Kommunikation mit US-Präsident Joe Biden wirft Fragen auf. Es gibt Vorwürfe, US-Verteidigungsminister Lloyd Austin habe mit seinem Krankenhausaufenthalt möglicherweise gegen ein Gesetz verstoßen. Trotz Rücktrittsaufforderungen dürften harte Konsequenzen für Austin aber ausbleiben. Er muss wahrscheinlich nur mit einem Verweis von US-Präsident Joe Biden rechnen. Fragen und Antworten zu einem Fall, der weltweit für Schlagzeilen gesorgt hat.

Was genau hat Lloyd Austin getan?

Der 70-jährige Verteidigungsminister der USA wurde am Neujahrstag in die Intensivstation des Walter Reed National Military Medical Center eingeliefert, weil es nach Angaben des Pentagons „Komplikationen nach einem kürzlich durchgeführten medizinischen Eingriff“ gab. Austin ist in der Befehlskette des US-Militärs direkt unter Präsident Biden angesiedelt - und dennoch: Sein Stab informierte das Weiße Haus drei Tage lang nicht über seinen Zustand. Selbst sein eigener oberster Stellvertreter wurde im Unklaren gelassen.

Was steht im öffentlichen, was im privaten Protokoll?

Die Art und Weise, wie Austin mit der Situation umging, schien ein eklatanter Verstoß gegen das Protokoll für hochrangige Kabinettsmitglieder zu sein. In der Regel gilt es, die Öffentlichkeit rechtzeitig über geplante medizinische Abwesenheiten informieren und vor allem zu informieren, wer in der Zeit der Abwesenheit einspringen wird.

Austins Aufgaben als Verteidigungsminister erfordern es, dass er in jeder nationalen Sicherheitskrise sofort zur Verfügung steht. Er selbst sagte am Samstag lediglich, dass er „einen besseren Job hätte machen können“ und übernahm „die volle Verantwortung“ für die Geheimniskrämerei um seinen Krankenhausaufenthalt.

Beamte des Weißen Hauses wiesen Forderungen nach einer Ablöse Austins bereits zurück, Biden habe nach wie vor „volles Vertrauen“ in Austin, der sich nach wie vor im Krankenhaus befindet, mittlerweile aber wieder die Amtsgeschäfte selbst führt.

Hat Lloyd Austin gegen ein Gesetz verstoßen?

Rechtsexperten zufolge hat Austin möglicherweise gegen ein US-Gesetz über die „Meldung von Vakanzen“ verstoßen, das die Exekutivbehörden verpflichtet, den beiden Häusern des Kongresses die Abwesenheit hochrangiger Mitarbeiter und die Namen aller Personen zu melden, die in ihrer Funktion während der Abwesenheit tätig sind. Das Gesetz ist allerdings weitgehend verfahrenstechnisch und sieht keinerlei Strafen für Verstöße vor.

Gegen diese Vorschrift dürfte Austin eindeutig verstoßen haben, so die einhellige Meinung. Der Minister werde aber wahrscheinlich nur einen Verweis und eine Warnung von Biden erhalten. Alle verantwortlichen Top-Stellvertreter oder Mitarbeiter könnten mit ähnlichen Konsequenzen rechnen.

Austin hat möglicherweise aber auch gegen interne Protokolle des US-Verteidigungsministeriums verstoßen. Beamte untersuchen den Vorfall eingehend, heißt es aus dem Pentagon. Man wolle untersuchen, wie künftige Verstöße verhindert werden können.

Wann hat Austin mit Präsident Biden gesprochen?

Austin sprach mit Biden, dem nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan und Außenminister Antony Blinken am Morgen des 1. Jänner, bevor er ins Krankenhaus kam, so das Weiße Haus. In der „sicheren Telefonkonferenz“ ging es um den Nahen Osten. Biden befand sich zu diesem Zeitpunkt in St. Croix im Urlaub.

Danach gab es bis zum 4. Jänner keinen Kontakt mehr mit dem Weißen Haus oder dem Nationalen Sicherheitsrat, so das Weiße Haus. Biden und Austin sprachen das nächste Mal am 6. Jänner, heißt es aus dem Weißen Haus.

Beamte des Weißen Hauses sagten, dass Biden während Austins Krankenhausaufenthalt weiterhin von anderen Beamten über Fragen der nationalen Sicherheit unterrichtet wurde, und dass der Präsident sein tägliches Briefing zur nationalen Sicherheit erhielt, das von den Geheimdiensten vorbereitet wurde. Das tägliche Briefing umfasst auch Beiträge des Verteidigungsministeriums, wird aber nicht von diesem zusammengestellt.

Wie reagiert der Kongress?

Abgeordnete beider Parteien (Republikaner und Demokraten) erklärten, sie seien zutiefst besorgt darüber, dass der Präsident nicht wusste, dass sein oberster ziviler Befehlshaber drei Tage lang im Krankenhaus lag, während im Gazastreifen und in der Ukraine Kriege geführt wurden. US-Senator Roger Wicker, der ranghöchste Republikaner im Streitkräfteausschuss des Senats, sagte am Samstag, die Situation sei „inakzeptabel“ und forderte eine „sofortige vollständige Aufklärung der Fakten“.

Der ehemalige Präsident Donald Trump, der Bidens wahrscheinlicher republikanischer Herausforderer bei den Wahlen 2024 sein wird, sagte am Sonntagabend, dass Austin wegen seines „ungebührlichen beruflichen Verhaltens und seiner Pflichtverletzung“ entlassen werden sollte.

Der demokratische Senator Jack Reed, der Vorsitzende des Senatsausschusses für Streitkräfte, sagte: „Dieser Mangel an Offenlegung darf nie wieder passieren.“

Pentagon will Vorgänge und Kommunikation überprüfen

Auf die Frage, ob die Rechtsabteilung des Verteidigungsministeriums der Meinung sei, dass Austin gegen Gesetze verstoßen habe, sagte der oberste Pentagon-Sprecher, Luftwaffengeneralmajor Patrick Ryder, gegenüber Reportern: „Wir prüfen die Auswirkungen der gesetzlichen Meldepflichten und werden zu gegebener Zeit darüber berichten.“ Später fügte er hinzu, dass die zu prüfenden Berichtspflichten nicht nur den Kongress betreffen würden. „Es geht um den Kongress, das Weiße Haus oder jeden anderen“, sagte er. (Reuters)

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