Technikmesse

CES in Las Vegas: Von rollenden Robotern und Tricordern

Die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas läutet das Technikjahr ein, und auch heuer enttäuscht sie nicht. Zwischen skurrilen und teuren Produkten finden sich so manche spannende Neuheiten. Aber schon zu Beginn der Messe steht fest: Ohne KI geht heuer nichts.

Wer hätte es gedacht? Die Consumer Electronics Show in Las Vegas läutet das Technikjahr 2024 ein, und wenig überraschend steht die KI im Fokus. Von der kleinen KI-Kugel, die einen auf Schritt und Tritt verfolgt, bis hin zu smarten Toiletten: Die Bandbreite auf der diesjährigen Messe ist wieder groß. Doch neben skurrilen Neuheiten finden sich auch spannende Entwicklungen. Ein Überblick.

Die Messehallen in Las Vegas sind prall gefüllt. Wo im Frühjahr große Landwirtschaftsmaschinen ausgestellt sind, versuchen Hersteller zu Beginn des Jahres die Innovationen und Neuheiten für das Eigenheim, den Arbeitsplatz und gar das stille Örtchen anzupreisen. Der allgemeine Tenor singt die Töne und die Nöte der künstlichen Intelligenz. Sie darf heuer nicht fehlen. Egal ob es sich eigentlich nur um Machine Learning und simple Algorithmen handelt. Wer heuer nicht auf all seine Produkte ein KI-Label klebt, hat offenbar verloren.

Plexiglas-Scheibe oder ein Fernseher?

Meist steht hier ein Fernseher im Mittelpunkt des Geschehens. Und auch 2024 wird die Welt nicht aufhören, Filme und Serien zu schauen. Das Gerät der Wahl soll sich aber ändern, und hier zeigen LG und Samsung, dass das mit Transparenz gar nicht so schwer sein muss. LG will den OLED Signature T nun tatsächlich heuer auf den Markt bringen. 77 Zoll in der Diagonale weist der Fernseher auf und wirkt ausgeschaltet wie ein großes Stück Plexiglas. Ähnliches gilt für den koreanischen Mitbewerber. Statt OLED (Organic Light Emitting Diodes) setzt Samsung auf Micro-LED bei der Technologie.

Was bringt es mir zu Hause? Nun, Samsung und LG erträumen sich unzählige Einsatzmöglichkeiten. Und für große Anzeigetafeln und Werbebereiche mag das wohl auch zutreffen. Zu Hause, in den eigenen vier Wänden, sind die Szenarien eingeschränkter. Tatsächlich hat Panasonic, das seit Jahren seinen transparenten Fernseher auf Messen zeigt, aber nie in den Verkauf bringt, einige nützliche Anwendungsfelder. So könnte der Fernseher in der Küche statt einer Kastentür verwendet werden. Praktisch, wenn man sich Rezepte anzeigen lassen will, während des Kochens fernsieht oder mit Freunden oder Familie telefoniert.

Ähnliches gilt im Wohnzimmer. Bei begrenztem Platz könnte sich ein transparenter Fernseher, verbaut in einer Kastenwand, als praktisch erweisen. Doch wer begrenzten Platz hat, hat meist auch ein kleineres Budget, und in diesen Kategorien bewegen sich die Fernseher zumindest derzeit noch nicht. LG und Samsung schweigen sich noch über den Preis aus. Fest steht nur, dass Samsung seine Fernseher mit 76, 89, 101 und 114 Zoll anbieten wird.

Schätzung: Die Geräte werden im fünfstelligen Bereich auf den Markt kommen. Von 20.000 Euro ist mindestens auszugehen.

Gestensteuerung auf ein neues Level gehoben

Bei TV-Geräten spielt Software zur Bildbearbeitung eine immer größere Rolle. Zur CES angekündigte Modelle analysieren mithilfe von KI den Videoinhalt und passen die Wiedergabe an. So lässt LG verschwommene Objekte im Hintergrund schärfer aussehen und will die Farbpalette an „Stimmung und emotionale Elemente“ anpassen. Bei Samsung soll KI dafür sorgen, dass ein Tennisball oder der Puck beim Eishockey deutlicher zu sehen sind.

Doch das sind nicht die einzigen Neuerungen im Bereich TV: Samsung hat angekündigt, dass die OLED-Fernseher nun besser ans Tageslicht angepasst werden und die Reflexionen verringert werden. Der S95 mit 144Hz ist um 20 Prozent heller und kommt mit einer „OLED Glare Free“-Technologie. Demnach soll die Bildqualität konstant gut sein; egal ob hell oder dunkel.

Der wahre Vorteil von KI: Mit den Fortschritten im Bereich der künstlichen Intelligenz lassen sich so allerlei massentaugliche Dinge entwickeln. Von nützlich bis skurril. Doch besonders im Bereich der barrierefreien Nutzung kann mithilfe von KI einiges erreicht werden. So kündigt Samsung an, dass in den Neo-Qled-Fernsehern künftig eine Gebärdensprachfunktion integriert ist. So können die TV-Geräte von Menschen mit Hörbeeinträchtigung mit Gesten gesteuert werden. Zudem können Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung auf eine Echtzeit-Übersetzung zurückgreifen, wodurch sie nicht mehr davon abhängig davon sind, ob die jeweiligen Sender diese Funktion unterstützen, da sie direkt im Gerät integriert ist.

Sieht aus wie eine freundliche Webcam, aber …

… es handelt sich um einen „Magic Bay Robot“ von Lenovo. Noch in der Konzeptphase, hat der Hersteller einiges mit seinem kleinen aufsteckbaren Roboter vor. Dieser soll – so die Idee – ein nützlicher KI-Assistent werden, der mithilfe von Microsofts Copilot (Chat GPT) das Leben erleichtert. Und damit das nicht alles so unpersönlich und technisch ist, kann dieser kleine Roboter auch über das Display ein paar Gesichtsausdrücke transportieren; zwei Punkte und ein Strich müssen dafür reichen. Das minimalistische Design hat aber schon jetzt alles, was das Kindchenschema begehrt. Wann die niedliche Webcam auf den Markt kommen soll, ist noch ungewiss, wie Cnet berichtet.

„Hol das Ballie“

Bleiben wir noch ein wenig im Eigenheim und gehen in die Küche. Wo da KI eine Rolle spielen soll? In allem, das eine Steckdose braucht, angefangen beim Kühlschrank. Nachdem dieser aus Energieeffizienzgründen schon seit Jahren ein schickes Guckloch hat, um nicht jedes Mal die Tür öffnen zu müssen, wenn man sehen möchte, was drin ist, werden jetzt auch noch die Produkte automatisch erkannt. Der von Samsung vorgestellte Kühlschrank erkennt mehr als 33 Lebensmittel und schlägt dann Rezepte vor. Damit der Kühlschrank einem aber nicht ständig Palatschinken, Salzburger Nockerln und Lasagne vorschlägt, kann eingestellt werden, welche gesundheitlichen Bedürfnisse und geschmacklichen Vorlieben man hat. (Nicht, dass an den genannten Rezepten etwas nicht stimmen würde, nur kalorientechnisch könnte das insbesondere zu Beginn des Jahres nicht in jedermanns Diätplan passen.) Angezeigt werden die Rezepte auf einem Bildschirm mit einer Größe von 32 Zoll. Zum Vergleich: Die meisten Laptops haben eine Bildschirmgröße von 14 bis 17 Zoll.

„Hol das Ballie“ bekommt mit der Samsung-Spielerei eine völlig neue Bedeutung. 2020 erstmals vorgestellt, rücken die Südkoreaner diese KI-Kugel wieder in den Fokus. Sie soll deutlich verbessert worden sein und nun ein Begleiter sein, der einem überall hin folgt, um „individuell zu unterstützen“. Jene Häuser, die noch nicht über einen Kühlschrank-Fernseher verfügen, oder über einen Badezimmer-Schrank-Fernseher, die können dieses Bällchen nutzen, um sich Bilder und Videos auf Wände projizieren zu lassen, mit einer Auflösung von 1080p. Doch Vorsicht: Der Akku hält nur maximal zwei bis drei Stunden. Sofern der Akku nicht zwischenzeitlich schlapp gemacht hat, kann er seine Benutzer (die er übrigens auseinanderhalten können soll) ans Blumengießen erinnern oder im Notfall Hilfe holen.

Wenn der Hund allein zu Hause bleiben muss, warum sollte ein Roboter ihn dann nicht unterhalten? Die Maschine der US-Firma Ogmen mit dem Namen Oro hat ein Display, dessen Farbeinstellungen speziell an die Wahrnehmung von Hunden angepasst sein sollen. Der Roboter kann auch einen Tennisball herausschießen. Kameras und KI-Chip sollen dafür sorgen, dass er nicht in Richtung zerbrechlicher Objekte fliegt. Zum Weiterspielen muss der Hund ihn zurückbringen – anders als die Besitzer sammelt der Roboter den Ball nicht selbst ein. Die Maschine kann aber auch einen verknüpften Futterautomaten auslösen.

Es ist ein harter Bruch: vom Hunde-Spielzeug zum Kinderwagen. Aber die KI ist einfach überall. Und das kanadische Start-up Glüxkind kommt mit einer durchaus sinnvollen Entwicklung. Es kombiniert die Einschlafschaukel mit dem Kinderwagen („Rock my Baby“-Funktion). So sollen die Babys schnell einschlafen. Aber das Wägelchen kann auch allein fahren, ganz ohne Hände am Griff. Zudem bietet es dank Kameras Schutz vor Gefahren in der Umgebung und bremst auf abschüssigen Wegen.

Wer schon einmal einen Kinderwagen steil aufwärts geschoben hat, wird sich wünschen, dass es diese Option schon früher gegeben hätte. Das Glüxkind-Modell kommt in zwei Ausführungen und je mit einem 500-Watt-Motor, der ähnlich wie bei einem E-Bike anschiebt. Bis zu einer Woche soll der Akku aushalten, eher wieder aufgeladen werden muss. Verstaut ist dieser im unteren Teil des Wagens.

Auf der Webseite ist das Reise-Modell mit zusätzlichen Inlays bereits ausverkauft (US-Markt). Die Preise belaufen sich auf durchschnittlich 3300 Dollar. Noch ist der Kinderwagen außerhalb Nordamerikas nicht erhältlich.

Hüpf mir vor die Linse

Auf Bilderkennung setzt auch Swarovski Optik mit dem auf der CES vorgestellten smarten Fernglas, das gleich mitteilen kann, welche Vogelart man gerade sieht. Das Gerät kann auch Fotos und Videos aufnehmen. Mit einem Preis von 4600 Euro ist es allerdings deutlich teurer als herkömmliche Ferngläser in dieser Liga.

Das Fernglas erkennt Tausende Tierarten.
Das Fernglas erkennt Tausende Tierarten. APA/Swarovski Optik

Die Medizin der Zukunft

In der beliebten Science-Fiction-Reihe „Star Trek“ ist der Bordarzt nicht nur die wichtigste Person, er hat meistens auch die coolsten Gadgets. Eines davon reiht sich in die lange Liste an Science-Fiction-Erfindungen, die tatsächlich Realität wurden. (Wo bleibt das Hoverboard aus „Zurück in die Zukunft“? Aber das ist eine andere Geschichte …) Seien es Handys, das Tablet von Jean-Luc Picard, Videotelefonate, Hologramme („Star Wars“), digitale Werbeanzeigen („Blade Runner“) oder selbst fahrende Autos („I, Robot“), nur um ein paar zu nennen. Und so wird der Tricorder ein Stück weit Realität. Der „BeamO“ von Wearable-Profi Withings ist ein sogenanntes Multiskop. Es ist Fieberthermometer, Stethoskop, EKG und Oximeter in einem. Über die Withings-App können die gesammelten Daten gespeichert und mit dem Hausarzt besprochen oder direkt geteilt werden.

Bis zu acht Personen können den „BeamO“ nutzen und ihre Daten speichern. Hierfür wird beim Einschalten ausgewählt, um wen es sich handelt (es werden Profile angelegt). Trotz der großen Anzahl an Personen und daher erwartungsgemäß vielen Messungen verspricht Withings eine sehr lange Akkulaufzeit von bis zu acht Monaten. Geladen wird über USB-C.

Während der „BeamO“ in einer Zeit auf den Markt kommt, in der die Vermessung des eigenen Körpers eine große Nachfrage bedient, hat die PR-Abteilung beim folgenden Produkt ein bisschen mehr Arbeit. Denn nach wie vor handelt es sich dabei um ein Tabuthema. Doch Withings möchte damit brechen und hat ein Produkt entwickelt, das die Größe eines Klosteins hat. Warum dieser Vergleich? Nun: Wie eben dieser auch, wird der „U-Scan“ ins Klo gehängt und kümmert sich um die Abwasseranalyse. Es überwacht den Stoffwechsel und den Zyklus und liefert – wie könnte es anders sein – direkt an die App alle gefilterten Informationen. Immerhin liefert der Urin mit mehr als 3000 Stoffwechselprodukten Aufschlussreiches über die eigene Gesundheit.

Der U-Scan wird direkt ins Klo gehängt und wertet direkt alles Wissenswerte über den Urin aus.
Der U-Scan wird direkt ins Klo gehängt und wertet direkt alles Wissenswerte über den Urin aus. (c) Withings

Uber ist out – die Zukunft liegt in den Wolken

Der Autobauer Hyundai macht Ernst bei seinen Lufttaxi-Plänen. Der südkoreanische Konzern stellte auf der CES ein Fluggerät für bis zu vier Passagiere vor, das bis 2028 in Betrieb gehen soll. Testflüge der Maschine mit acht Propellern sollen noch heuer beginnen. Sie solle nicht lauter als ein Geschirrspüler sein, kündigte Hyundais Tochterfirma an.

Einen ersten, noch ziemlich anders aussehenden Prototypen hatte der Autobauer auf der CES vor vier Jahren vorgestellt. Danach war es still um die Pläne geworden. Damals hatte Hyundai noch angekündigt, sein Fluggerät auf die Lufttaxi-Plattform des Fahrdienst-Vermittlers Uber bringen zu wollen. In der Coronapandemie reichte Uber die Sparte allerdings an die kalifornische Firma Joby Aviation weiter, die elektrische Flugzeuge entwickelt.

Hyundais Lufttaxi soll einen bis zu 60 Kilometer durch die Lüfte tragen.
Hyundais Lufttaxi soll einen bis zu 60 Kilometer durch die Lüfte tragen. (c) Hyundai

Hyundais Flugmaschine mit dem Namen S-A2 ist für Strecken zwischen 40 und gut 60 Kilometern gedacht. Sie soll von einem Piloten an Bord gesteuert werden. An Lufttaxis arbeiten seit Jahren auch Start-ups wie die deutschen Firmen Volocopter und Lilium sowie Branchenriesen wie Airbus.

APA/AFP/Frederic J. Brown

Auch auf der heurigen CES ist Hyundai mit dem Konzept nicht allein. Der chinesische Autobauer Xpeng präsentiert eine Flugkapsel für zwei Personen, die mit zusammengeklappten Rotoren im Frachtabteil eines Vans Platz findet. Für einen Flug wird sie dann aus dem Auto herausgeholt.

Die unter anderem von Google-Mitgründer Larry Page unterstützte US-Firma Pivotal startete zur CES die Verkäufe ihres Kleinflugzeugs mit dem Namen Helix in den USA. Die 190.000 bis 260.000 Dollar (bis zu 238.000 Euro) teuren Einsitzer sollen im Juni ausgeliefert werden. Pivotal betont, dass man sie in den USA ohne Flugschein steuern dürfe.

Die CES wurde in den vergangenen Jahren auch immer mehr zu einer Automesse. Unter anderem Mercedes und der Zulieferer Continental sind in Las Vegas dabei, während sich die amerikanischen Branchenriesen nach dem teuren Streik der US-Gewerkschaft UAW zurückhalten.

Nicht zuletzt dank des KI-Hypes erholt sich die weltweit wichtigste Technikmesse in Las Vegas immer weiter von der Corona-Delle. Die amerikanische Branchenvereinigung CTA als Veranstalter erwartet rund 130.000 Fachbesucherinnen und Fachbesucher sowie Journalistinnen und Journalisten. Vor einem Jahr kamen 115.000 – und 2022 nur 45.000 Menschen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.