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Meine erste Triggerwarnung: Vor Cohen wurde ich gewarnt, vor Zappa nicht

Vor Frank Zappas Song „Bobby Brown“ warnte uns niemand, er lief sogar auf Ö3, und wir sangen ihn auf dem Skikurs.
Vor Frank Zappas Song „Bobby Brown“ warnte uns niemand, er lief sogar auf Ö3, und wir sangen ihn auf dem Skikurs.imago stock&people
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Erinnerung an »Explicit Content«: Dass Popmusik verruchte Dinge erzählt, die Eltern nicht kapieren, war ein Teil ihres Reizes.

Meine erste Triggerwarnung kam, als ich elf war, von meinem Klavierlehrer, der ein großer Fan von Leonard Cohen war und ist. Dennoch wollte er mir dessen Roman „Beautiful Losers“ nicht borgen, wegen der sexuell expliziten Szenen. Ich reagierte auf die Verweigerung, indem ich bei meinem nächsten Aufenthalt in Salzburg die Buchhandlung Hannibal besuchte, wo es viel gab, was in Wien nicht erhältlich war, etwa Cohens Romane, Fachbücher über halluzinogene Pilze und Aufrührerisches wie „Do It!“ von Jerry Rubin.

Auch ein schwarzes Büchlein mit allen Songtexten von Frank Zappa, der mit Unanständigkeiten nicht geizte. Vor seinem späteren Song „Bobby Brown“, der uns über die Bedeutung von Wörtern wie „dyke“ oder „golden shower“ rätseln ließ, warnte uns niemand, er lief sogar auf Ö3, und wir sangen ihn auf dem Skikurs. Dass Popmusik uns verruchte Dinge erzählte, die Eltern und Lehrer (mit Ausnahme der coolen) nicht kapierten, war Teil ihres Reizes.

Der „Parental Advisory“-Sticker galt bald als Qualitätskriterium

Umso skurriler fand ich, nun bereits im reifen Alter von 21, dass ein „Parents Music Resource Center“ 1985 bewirkte, dass Schallplatten wie „Purple Rain“ von Prince mit dem Aufkleber „Parental Advisory – Explicit Content“ versehen wurden. „Typisch amerikanische Prüderie“ nannten wir das – und wunderten uns nicht, dass in Hip-Hop-Kreisen dieser Sticker bald als Qualitätskriterium galt. Zugleich rümpften wir die Nase ob der plumpen Sexualprotzereien und Gewaltfantasien von Rappern wie Ice-T.

Doch am anstößigsten kommt mir im Nachhinein die allererste Popsingle vor, die ich mir mit neun Jahren kaufte: „Do You Wanna Touch Me?“ von Gary Glitter. Dieser wurde später nämlich mehrmals wegen Kindesmissbrauchs verurteilt. So gut ich weiß, dass man Leben des Künstlers und Inhalt seines Werks auseinanderhalten soll, dieser Glamrock-Schrei klingt mir heute gruslig in den Ohren.

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