Wachposten

Die israelischen Soldatinnen, die den Hamas-Angriff vorhergesehen haben

Archivbild eines Wachturms nahe der Grenze zum Gazastreifen im Süden Israels.
Archivbild eines Wachturms nahe der Grenze zum Gazastreifen im Süden Israels.APA / AFP / Jack Guez
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Der britische Sender BBC hat mit Frauen der israelischen Streitkräfte gesprochen, deren Aufgabe es war, auf Wachposten den Gazastreifen zu beobachten. Was die Frauen in den Wochen vor dem 7. Oktober gesehen hatten, deutete demnach eindeutig auf etwas Außergewöhnliches hin.

Jahrelang waren sie die Augen des israelischen Militärs, die stets in Richtung Gaza-Streifen gerichtet waren, die Soldatinnen auf den Wachtürmen der israelischen Streitkräfte. Und die Augen der jungen Frauen sahen offenbar viele Anzeichen auf drohende Gefahr, berichtete die britische BBC. In den Monaten vor dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober hätten die Einheiten mehrfach Übungen der Hamas wahrgenommen: wie Zäune durchdrungen, wie Geiseln genommen, wie Angriffe durchgeführt werden. Einige von ihnen waren am 7. Oktober dann die ersten Opfer der Hamas.

Es sei klar gewesen, dass die Hamas etwas Großes geplant hätte. Eine der Frauen verglich die Situation mit einem „Ballon, der platzen wird“ verglichen. „Wir sahen, wie sie jeden Tag übten, wie der Überfall aussehen würde“, zitiert die BBC eine junge Frau namens Noa. Sie dient dem Bericht zufolge immer noch beim Militär. „Sie hatten sogar einen Modellpanzer, an dem sie übten, wie sie ihn in ihre Gewalt bringen können.“ Noa hatte Glück - und hatte keinen Dienst am 7. Oktober. Sie habe die Nachrichten ihrer Kolleginnen mit Schrecken von zu Hause aus verfolgt. Sie habe sich gedacht: „Das ist es jetzt“ - die Attacke, auf die sie lange gewartet hatten.

Militär reagierte nicht

Der BBC liegen Whatsapp-Chats der Soldatinnen vor, die zeigen, wie sehr sich die Frauen sorgten, wie sich untereinander darüber austauschten, was auf der anderen Seite des Grenzzauns zum Gaza-Streifen wohl vor sich ging. Auch gegenüber Angehörigen hätten die Frauen über ihre Sichtungen gesprochen. Das Problem sei aber, dass das Militär den Zusammenhang nicht erkannt habe“, erklärt ein ehemaliger Kommandeur gegenüber des britischen Senders.

In einem Artikel, der von den israelischen Streitkräften Ende September veröffentlicht wurde, werden die Wachposten neben den israelischen Nachrichtendiensten als jene Einheiten präsentiert, die „alles über den Feind“ wüssten. Die Soldatinnen meldeten jegliche Sichtungen in einem Computersystem. In den Wochen vor dem Hamas-Terrorangriff hat das israelische Militär in offiziellen Stellungnahmen stets betont, dass eine mögliche, von der Hamas ausgehende Gefahr aber unter Kontrolle gebracht worden sei.

Wer las die Berichte der Soldatinnen?

Mehrere Soldatinnen, die einen größeren Angriff befürchteten, sagten der BBC, sie hätten das Gefühl, dass ihre Bedenken nicht gehört würden. Als sie die Lieferwagen an der Grenze bemerkte, so eine der Militärangehörigen, habe das Protokoll vorgesehen, ihren Kommandanten zu alarmieren und dann weiter zu beobachten, bis die Fahrzeuge nicht mehr in ihrem Bereich waren. Dann würde sie es in einem Computersystem eintragen, wo es „weitergegeben“ würde. Aber sie habe „keine Ahnung“, wohin diese Berichte tatsächlich gingen. Immer wieder seien Einheiten nahe an den Grenzzaun gefahren, Männer hätten auf den Zaun und auf die Überwachungskameras gedeutet. Das alles sei gemeldet worden.

Eine Mutter einer der beim Hamas-Angriff getöteten Soldatinnen erzählte: „In den letzten Monaten sagte sie immer wieder: ‚Es wird Krieg geben, du wirst sehen!‘ Und wir haben sie belächelt, dass sie so übertreibt“. Das Vertrauen in das israelische Militär sei stets unerschütterlich gewesen. Ihre Tochter war eines der ersten Opfer der Hamas, als die Terroristen bei Nahal Oz den Grenzzaun zum Gazastreifen durchbrachen. Genau so, wie die „Augen des Militärs“ das zuvor offenbar in mehreren Übungen wahrgenommen hatten. (Red.)

>> Zum Artikel der BBC

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