Gastkommentar

Über den Radetzkymarsch

Der Radetzkymarsch ist an sich so wenig kriegsverherrlichend wie der Roman „Radetzymarsch“, Frau Blimlinger!

Radetzkymarsch? Das ist ein großartiger Roman von Joseph Roth, und der hat einmal sehr zutreffend gesagt: „Zum Radetzkymarsch stirbt es sich einfach besser …“ (Damit meinte Roth nicht seinen großartigen Roman, sondern das großartige Musikstück, Dadaram, Dadaram, Dadaramtatam!) Auf solche kulturelle Großtaten hinzuweisen kann nicht ganz verkehrt sein, auch wenn eine lebendige Kultur gar keine Kultursprecherinnen einer politischen Partei notwendig haben sollte … allzu oft ist dieses gutgemeinte Kultursprecherinnengesprochene nämlich leider nichts als hochbezahlter, unsinniger, überflüssiger, ärgerlicher Murks, ein eitles, steriles Grundsatzherumkomplizieren auf Steuerzahlerkosten. Die Radetzkymarschkritik war früher zu Joseph Roths Zeiten auch besser – und zynischer und treffender.

Dazu eine Klarstellung: Der Radetzymarsch (von Johann Strauss) ist ein musikalisches Missbrauchsopfer! Er kann nichts dafür, wie und wofür man ihn instrumentalisiert. Er kann nicht einmal etwas für die Gesinnung seines Schöpfers! (Auch der Bolero könnte sich nicht dagegen wehren, wenn man ihn zu einer Vergewaltigung spielt: Aber er wäre Mitopfer, nicht Mittäter! Meinetwegen soll der Radetzkymarsch ab sofort Franz-Jäger­stätter-Marsch oder Hans-Krankl-Marsch heißen, die Musik bleibt ja die gleiche. Ich habe keinerlei Sympathien für Radetzky, ich habe keine Sympathien für irgendeinen Feldmarschall. Meinetwegen kann der Radetzkymarsch ab sofort auch Hradecky­marsch heißen, so wie der finnische Fußballtormann von Eintracht Frankfurt, dagegen kann niemand etwas haben … Der Radetzkymarsch an sich ist ein musikalisches Aufputschmittel, aber er ist an sich so wenig kriegsverherrlichend wie der Roman „Radetzymarsch“, Frau Blimlinger! Nur kulturferne Menschen können so kulturlos mit Kultur umgehen!

Das Problem, Frau Blimlinger, ist nicht der Radetzkymarsch. Das Problem, Frau Blimlinger, sind der Krieg  und die Kriegsherren und die Kriegstreiber und die Waffenindustrie und die Militäre! Das Problem, Frau Blimlinger, ist das Martialische und der Militarismus! Wenn Sie mit Joseph Roth fertig sind, Frau Blimlinger, lesen Sie H. C. Artmann: „Unsere ­Jugend an die Drecksflinten zu pressen – das ist Neandertal!!!“ Das hat Artmann in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts geschrieben.

Dadaram, Dadaramtatam!

Das Problem, Frau Blimlinger, ist nicht der Radetzkymarsch. Das Problem ist, dass unsere Drecks­politiker unsere Jugend nach wie vor an die Drecks­flinten pressen, dass unsere Dreckspolitiker (und Dreckspolitiker*innen) es ein halbes Jahrhundert lang nicht geschafft haben, wenn schon nicht das Bundesheer en gros, so wenigstens die Barbarei der allgemeinen Wehrpflicht ein für alle Mal abzuschaffen! DAS wäre Ihre politische Aufgabe! Ihre realpolitische Aufgabe!

DAS hätte ich mir von Ihnen erwartet, Frau Blimlinger, keine Musikkritik, wo doch gerade auch Ihre Partei seit Jahrzehnten im politischen Geschäft und seit Jahren sogar an vorderster „Front“ an der Macht ist … und dann nichts als dieses ohnmächtige, eitle Übersprungsgeschwätz!

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Hätten Sie und die Ihren dazu beigetragen, dass es wie in anderen unbedeutenden kleinen Ländern auch in Österreich kein Heer und wie in vielen anderen Ländern keine allgemeine Wehrpflicht gibt, dann wäre der Radetzkymarsch heute nur noch fußballverherrlichend …

So aber, da Sie selbst Teil der Barbarei sind, ist es besser, Sie schweigen! Dadaram, Dadaram, Dadaramtatam!

Egyd Gstättner (*1962 in Klagenfurt) ist Autor, Gestalter von Features für den Rundfunk, Theatermacher und Kolumnist. Zuletzt ist von ihm erschienen: „Ich bin Kaiser“ (Picus, 2022).

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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