Kunstlicht

Das KI-Model Emily Pellegrini und der Mythos des Pygmalion

Julie Andrews war die „Emily Pellegrini“ der Nachkriegsjahre: Auch „My Fair Lady“ basiert auf dem Pygmalion-Mythos.
Julie Andrews war die „Emily Pellegrini“ der Nachkriegsjahre: Auch „My Fair Lady“ basiert auf dem Pygmalion-Mythos. AP Photo/Smithsonian Institution files
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Wie eine Sirene lockt eine künstliche Idealfrau Männer in die Untiefen des Internets. Sie können nichts dafür, ihre Fantasie wurde „lebendig“.

Satte 250.000 Follower hat Emily Pellegrini (23, „fun loving girlie“) in nur fünf Monaten auf Instagram angelockt, sirenenhaft, muss man ihr zugestehen – fast nur Männer folgen ihr in die digitalen Untiefen. Dazu wurde sie schließlich auch gemacht: Braune lange Haare, braune sanfte Augen, diametral ausladend der Busen und Po. Wenn sie tanzt in ihren Videos, bevorzugt in Pools oder am Meer, hauptsächlich im Wasser, hagelt es Komplimente: „Wow!, „Beautiful“, „you stole my heart!“. Es wird gerätselt, wo sie da urlaube, mit ihrer ähnlich entzückenden Schwester – auf Mykonos? Auf Ibiza?

Aus dem Instagram-Account von Emily Pellegrini.
Aus dem Instagram-Account von Emily Pellegrini.Archiv

So sieht sie also aus, die totale Männerfantasie, wenig überraschend. Emilys „Schöpfer“ hat sie nach dieser geformt. Die Anleitung dazu? Fragte er schlicht bei der Künstlichen Intelligenz ab. Und dann befahl er dieser auch noch gleich per göttlichem Finger-Touch: Erschaffe sie!

»Künstliche Intelligenz und die Götter der Antike: Ohne Gnade in der Erfüllung menschlicher Sehnsüchte.«

Und es ward vollbracht: Schon wirbelte eine Emily Pellegrini halbnackt durchs einschlägige Internet, beharrlich verfolgt von der nahezu wehrlosen Zielgruppe, die sie anvisiert. Von Millionären wird sie nach Dubai eingeladen, von deutschen Fußballern um ihre Telefonnummer gefragt: „Warum hat so ein hübsches Mädchen wie du keinen Freund?“ Und bereitwillig antwortet sie auf all das im Chat. In heutigem Sinn: Sie lebt. Und ihr Schöpfer? Verdient, auf der Erotikplattform „Fanvue“, auf der schließlich alle Verehrer landen. Wer steckt dahinter? Natürlich, ein Mann. Bereitwillig gab dieser Namenlose der „Daily Mail“ noch ein Interview über seine Kreation. Dabei ist Emily nicht die erste KI-Influencerin. Und sie wird auch nicht die letzte sein.

„Womanufacture“ nennt US-Altphilologin Alison Sharrock diese mythologische Strategie der männlichen Erschaffung weiblicher Idealität, die dann zum Leben erwacht. Vorbild dafür ist der weniger gute als alte Pygmalion. In der am meisten verbreiteten Überlieferung der Geschichte bei Ovid hieß so ein Künstler auf Zypern, den die Frauen enttäuscht hatten. Ein Opfer, in diesem Fall schlechter Erfahrungen mit den Propoetiden, sexuell zügellosen Frauen. Daraufhin lebte er nur noch für die Kunst, für seine. Aus Elfenbein schliff er eine Frauenstatue, so schön, dass er sich in sie verliebte. Dass er sie liebkoste. Woraufhin sie nach flehentlichem Bitten zum Leben erwachte. Früher hatte man die Götter dafür, heute die KI. Beide waren bzw. sind sie in der Erfüllung menschlicher Sehnsüchte gnadenlos.

Emails an: almuth.spiegler@diepresse.com

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