Mein Freitag

Neben dem Solarium war die Videothek

Die Videothek Alphaville, ein verlorenes Paradies.
Die Videothek Alphaville, ein verlorenes Paradies. Clemens Fabry
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Als es die Malediven noch nicht gab, musste man vor dem Ball ins Solarium.

Warum man sich ausgerechnet im Jänner, wenn es am kältesten ist, die Haut am meisten leidet und der Körper am ungelenksten ist, in ein Ballkleid zwingt und dann frierend, auf hohen Absätzen, natürlich mit nackten Beinen (wegen der Balletikette, mehr darüber am Sonntag), über den Rollsplitt fluchend den Weg in die Wiener Hofburg sucht? Viel schöner wäre das doch alles im Sommer. Aber das verbietet die Tradition, Bälle gehören in die Faschingszeit, und die ist nun mal dann, wenn es am unwirtlichsten ist.

So leicht bekleidet durch eine Winternacht zu staksen, macht die ganze Veranstaltung noch viel unwirklicher. Egal, was sich in der Welt ändert, die rigorose Kleiderordnung wird befolgt, die Saumlänge eingehalten und die Fliege umgebunden. Bälle waren auch ein fixer Bestandteil unseres Studentenlebens Ende des vergangenen Jahrhunderts. Der Eintritt war günstig, man traf sich vorher privat, ging so spät hin, dass man sich die Eröffnung ersparte, tanzte bis zur Mitternachts­pause, kaufte Cola, das andere kam aus dem Flachmann dazu, der war so unverzichtbar wie heute das Smartphone in der Tasche. Danach war man damit beschäftigt, durch die Säle zu eilen, um die anderen zu suchen, die das Gleiche derweil in den anderen Sälen machten. Dabei lief man in Bekannte, staubte einen Sekt ab oder zwei, und irgendwann gab es dann Frühstück im Café Schwarzenberg.

Das Vorbereitungsprogramm auf die Ballsaison beinhaltete auch den Besuch im Solarium. Solarien gibt es heute gar nicht mehr, wer im Ballkleid gebräunte Haut zeigt, war auf den Malediven. Diese gab es wiederum früher nicht. Aus dem Stadtbild verschwunden sind neben den Solarien auch die Videotheken. Nur noch in Filmen kommen diese seltsamen Orte einer vergangenen Zeit vor, mit Heimlichkeit aufgeladen. Im Internet ist sie unsichtbar geworden.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

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