Rechtsmedizin

Ärztin mit kriminalistischem Auftrag

Die Institutsleiterin steht nach wie vor viel am Seziertisch: „Fallarbeit und Forschung gehören zwingend zusammen.“
Die Institutsleiterin steht nach wie vor viel am Seziertisch: „Fallarbeit und Forschung gehören zwingend zusammen.“MUI/D. Bullock
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Elke Doberentz von der Med-Uni Innsbruck entdeckte Biomarker, die zeigen, ob bei Brand- oder Erhängungstodesfällen ein Verbrechen vertuscht werden sollte.

Sechshundert Obduktionen werden in der Gerichtlichen Medizin in Innsbruck Jahr für Jahr durchgeführt. Seit vergangenem Sommer hat das Institut mit Elke Doberentz eine neue Leiterin. Diese ist nach wie vor oft im Seziersaal anzutreffen: „Es ist wichtig, dass man nah dran ist, weil sich aus den Problemen, die sich in der Fallarbeit stellen, Ideen für Forschungsprojekte ergeben. Das gehört zwingend zusammen.“

Aktuell kümmert sie sich allem voran aber darum, den klassischen rechtsmedizinischen Bereich als Ergänzung zu den am Institut der Med-Uni Innsbruck bereits eta­blierten Schwerpunkten – forensische Toxikologie (Untersuchung von Proben auf Giftstoffe, Drogen und Medikamente) und forensische Genetik (DNA-Abteilung) – aufzubauen. Seit der Entdeckung des DNA-Fingerabdrucks in den 1980er-Jahren hat sich die Gerichtliche Medizin stark zum Laborfach gewandelt, doch nach wie vor gibt es Kontinuitäten, die weit zurückreichen: „Wir haben bei der Obduktionstätigkeit heute teilweise noch einen Aufgabenkanon zu bearbeiten, wie er im 19. Jahrhundert war“, sagt Doberentz, die selbst auf feingewebliche Forschung unter dem Mikroskop spezialisiert ist.

Proteine verraten Tathergang

Mithilfe von farblichen Markierungen können zum Beispiel verschiedene Proteine sichtbar gemacht werden, die bestimmte Rückschlüsse erlauben. Doberentz gelingt es so, Klarheit bei Todesfällen durch Hitze zu gewinnen. Bei der Untersuchung von mehreren Hundert Fällen entdeckte sie mit ihrem Team zuletzt, dass sich sogenannte Hitzeschockproteine bei extremer Temperatureinwirkung in Nieren und Lunge von lebendigen Menschen vermehrt bilden. Werden diese Marker bei der Obduktion einer Brandleiche gefunden, kann damit ein Tötungsdelikt vor dem Feuer ausgeschlossen werden.

Herkömmliche Vitalitätszeichen, die beweisen, dass die Person bei Ausbruch des Brandes noch gelebt hat, seien, so Doberentz, „das Einatmen von Kohlenmonoxid oder Ruß, das Verschlucken von Ruß oder Krähenfüße um die Augen, die vom Ruß ausgespart sind, weil die Person hitzebedingt das Gesicht und die Augen aktiv zusammengekniffen hat“. Wenn allerdings sehr schnell sehr große Hitze einwirkt – wie das etwa bei Wohnungsbränden, bei denen Weihnachtsbäume Feuer fangen, der Fall ist –, kann es vorkommen, dass das Opfer verstirbt, bevor sich Vitalitätszeichen ausbilden. Hier bringt nun das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Hitzeschockproteinen Licht ins Dunkel.

Unterkühlungstode im Visier

Derzeit ist die Rechtsmedizinerin auf der Suche nach einem ähnlich zuverlässigen Biomarker bei Tod durch Erfrieren. Die typischen Befunde dafür – Flecken in der Magenschleimhaut oder Verfärbungen über den Knochenvorsprüngen der Gelenke – fehlen, wenn ein Mensch sehr schnell auskühlt. „Bei dem Unterkühlungsprozess kommt es zu einem massiven Sauerstoffmangel im Körper“, erklärt Doberentz. Das erzeugt Stress, was die Forscherin vermuten ließ, auch bei Erfrierungsopfern vermehrt Hitzeschockproteine, die nicht nur auf Hitze, sondern generell auf belastende Umwelteinflüsse reagieren, zu finden. Aber Fehlanzeige. „Stattdessen konnten wir nachweisen, dass sich im Nierengewebe von Unterkühlungstodesfällen häufiger und höher ausgeprägte Verfettungen finden als bei anderen Todesursachen.“ Dieser Spur will sie weiter nachgehen.

Auch bei Untersuchungen von Todesfällen durch Erhängen kommt Doberentz die eigene Forschung zugute. Hat sie mit ihrem Team doch anhand der Analyse von Halsverletzungen entsprechende Vitalitätsmarker ausgemacht: „Es handelt sich dabei um Aquaporine, die sich durch die Reizung in der Haut ausbilden.“ Sie zeigen an, dass eine Verletzung vor dem Tod entstanden ist und nicht etwa ein Tötungsdelikt durch nachträgliches Aufhängen vertuscht werden soll.

Die Rechtsmedizin ist ein methodisch vielfältiges Feld. Im Bild: auf der Suche nach latenten Spuren mit spezieller forensischer Lichtquelle.
Die Rechtsmedizin ist ein methodisch vielfältiges Feld. Im Bild: auf der Suche nach latenten Spuren mit spezieller forensischer Lichtquelle.MUI/F. Lechner

TV vermittelt falsches Bild

Generell würden Fälle aber nicht final im Sektionssaal geklärt, korrigiert Doberentz ein Bild, das so mancher Fernsehkrimi gern bemüht. „Wir sind ein Puzzleteil in Ermittlungsverfahren und werden in der Regel in den Fortgang der Fälle nicht einbezogen. Selbst wenn wir als Sachverständige beteiligt sind, erfahren wir manchmal auch erst aus der Zeitung, wie sich die Fälle vor Gericht entwickelt haben. Das verfolgen wir dann schon mit Spannung.“ Sie liebe das Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Medizin und Justiz: „Seit meiner Schulzeit, als ich auf das Fach gestoßen bin, begeistert mich an der Gerichtsmedizin, dass wir Ärzte und gleichzeitig kriminalistisch tätig sind.“

Zur Person

Elke Doberentz (44) ist Professorin für Gerichtliche Medizin an der Med-Uni Innsbruck und neue Leiterin des gleichnamigen Instituts. Die gebürtige Deutsche war bis 2023 am Institut für Rechtsmedizin des Uniklinikums Bonn tätig, wo sie 2017 habilitierte und das sie zuletzt kommissarisch leitete. Doberentz forscht an neuen Methoden in der forensischen Medizin.

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