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„The Curse“ mit Emma Stone: Wie man die Welt verschlimmbessert

Der trügerische Glanz der Image-Perfektion: Die Wirklichkeit hinter der TV-Fassade sieht in „The Curse“ mit Nathan Fielder und Emma Stone viel unheimlicher aus.
Der trügerische Glanz der Image-Perfektion: Die Wirklichkeit hinter der TV-Fassade sieht in „The Curse“ mit Nathan Fielder und Emma Stone viel unheimlicher aus.Paramount
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Nathan Fielder macht Fremdschäm-Fernsehen für das 21. Jahrhundert: „The Curse“ mit Emma Stone, die jüngste Serie des Unwohlfühl-Comedians, ist Pflichtprogramm.

„Poor Things“-Star Emma Stone bei Talkmaster Jimmy Kimmel: Das Publikum freut sich schon auf lustige Anekdoten aus dem Leben der sympathischen Oscarpreisträgerin. Aber nein, Nathan Fielder, ihr Co-Star aus der Serie „The Curse“ (zu sehen bei Paramount+), stiehlt ihr die Show. Wer ist er überhaupt? Mit langem schwarzen Mantel, klobigen Schuhen und getönter Nickelbrille präsentiert er sich gezwungen lässig als Kreuzung aus Beatnik und Zuhälterklischee. Er wolle uns endlich zeigen, wer er wirklich sei, so Fielder zu Kimmel: nämlich kein unsicherer Nerd mit Helmfrisur! Fast wie ein Fluch lastet der Ruf des ungelenken Sozialautisten auf dem Schauspieler. Kein Wunder: Fielder kultiviert ihn seit Jahren selbst. Mit Erfolg.

Das irritierende Fremdschämspiel um Sein und Schein, das der Kultcomedian bei Kimmel darbietet, prägt sein ganzes Schaffen. Im Gegensatz zu seinen bisherigen Serienschöpfungen ist die jüngste aber kein Hybrid aus Realityshow und Performance, sondern rein fiktional. Wobei: Ihr Mitgestalter Benny Safdie hält in Interviews fest, dass die zehn Folgen von „The Curse“ sehr wohl Realitätsspuren enthalten. Vor Drehbeginn hätten Fielder und er die Probleme einer heruntergewirtschafteten Community in New Mexico, Spielort der Serie, eingehend studiert, um sie in den Plot einzuweben. Und einige „Locals“ vom Fleck weg als Darsteller gecastet.

So gerät die Show des Regieduos ebenso zur Jobbeschaffungsmaßnahme wie das Immobilienprojekt, das das Protagonistenehepaar von „The Curse“ (verkörpert von Stone und Fielder) aus dem Boden stampft. Voller Idealismus plant das Zweigespann, das Leben der Bewohner in einer unscheinbaren Kleinstadt durch umweltfreundliche Bauten medienwirksam aufzuwerten. Ironisch, wie sich die beiden mit Passivhäusern höchst aktivistisch geben, um ihrem Gentrifizierungsgeschäft einen korrekten Anstrich verleihen.

Zudem wollen die sendungsbewussten Selbstdarsteller ihr ach so selbstloses Projekt der Welt mit einer Promo-Doku à la Netflix verkaufen: Seht her, es gibt ihn wirklich, den grünen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz! Doch diese zeitgemäße Devise ist nur Fassade, die im Lauf der Serie – bzw. der Dreharbeiten zur Serie in der Serie – zu bröckeln beginnt: Weder der sozialen noch der Klima- noch ihrer eigenen Ehekrise kann das Paar mit seiner Optimierungsshow abhelfen.

Demontage von „Kümmerfernsehen“

„The Curse“ nimmt sich viel vor. Es ist ein Meta-Thriller-Melodrama voller unangenehmer Momente, die man am liebsten überspringen würde, zögen sie uns nicht in ihren Bann – faszinierend unbequem wie Benny Safdies mit seinem Bruder Josh gedrehte Regiearbeiten („Good Times“, „Uncut Gems“). Zugleich wird die Serienatmosphäre immer unheimlicher: Wiederkehrende, langsame Zooms auf die Zerrspiegelfassaden der Passivhäuser verströmen eine ominöse Stimmung.

Sie stellen aber auch allzu streberhaft aus, dass all das als kritische Reflexion verstanden werden soll. An den Pranger gestellt wird so einiges: Achtsamkeitstheater rund um „White­ Guilt“, den von sozialen Medien befeuerten Zwang, das Leben permanenter Imagepflege zu unterwerfen. Und nicht zuletzt zeitgenössisches Scripted-Reality-Fernsehen. Letzteres ist Nathan Fielders Steckenpferd: Schon vor „The Curse“ demontierte er mit Quasidoku-Formaten, was sich täglich beim Zappen abspielt. In „Nathan for You“ trat er als „Retter“ strauchelnder Kleinunternehmen auf – mit haarsträubenden Konzepten. In „The Rehearsal“ gab er den Life Coach, der Hilfesuchende durch missliche Lebenslagen manövriert, indem er ihnen ermöglicht, diese in Simulationen stets aufs Neue durchzuproben. Nie will er dabei etwas dem Zufall überlassen, immer inszeniert er sich als genialischer Kontrollfreak, der mit Kalkül der Wirklichkeit Herr zu werden versucht.

Seine Rechnungen gehen aber nur bedingt auf, oft tritt er in Fettnäpfchen und Fallen des performativen Widerspruchs. Fielder ist ein Satiriker des TV-Genres, das Leuten auf und vor dem Fernsehschirm mit Rat und Tat zur Seite steht. Er bedient sich an den Mechanismen dieses „Kümmerfernsehens“, unterläuft sie aber mit cleverem Witz. Dennoch muss er sich oft den Vorwurf gefallen lassen, die Menschen, die er in den (Laienschauspieler-)Dienst nimmt, zu Unterhaltungszwecken vorzuführen, gar auszubeuten.

Ist das so? Ist das alles überhaupt echt? Fielder betont, was er mache, sei ernst gemeint. Was sich nicht widersprechen muss: Anstatt die Spannung zwischen Schein und Sein aufzulösen, macht er sie produktiv. Ohne einer sogenannten Authentizität das Wort zu reden, stellen seine „instruktiven“ Fernsehformate die Wirklichkeit bloß – und auch als etwas Gemachtes hin. Solang die Möglichkeit, etwas dezidiert anders zu machen, nicht vollends verstellt ist, sind seine Shows also beides zugleich: Segen und Fluch.

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