Verstorbene Künstlerin

Ein Gespräch mit Woodstock-Sängerin Melanie aus dem Archiv: „Hippie? Ich war Beatnik!“

Melanie Safka in den Siebzigerjahren.
Melanie Safka in den Siebzigerjahren.Imago / Imago
  • Drucken

Melanie Safka, Sängerin mit Woodstock-Erfahrung, ist am 23. Jänner im Alter von 76 Jahren gestorben. Im Gespräch mit der „Presse“ rekapitulierte sie im Jahr 2004 ihre Karriere. Ein Artikel auf unserem Archiv.

Am Beginn ihrer Laufbahn stand eiserner Wille. Und zwar jener ihrer Mutter Polly Safka, einer Jazzsänge rin, die sich der schönen Fantasie hingab, ausgerechnet ihre Tochter könnte die nächste Judy Garland werden. Bereits als Vierjährige sang Melanie in Radioshows in New York Lieder wie „Give Me A Little Kiss“ und „Cry Me A River“. Über ein Jahrzehnt später, nach Schauspielausbildung und Flucht aus der elterlichen Obhut nach Los Angeles, sah sich Frl. Safka wieder im heimischen New York um. Viele Auditions, noch mehr Tränen, zumal sie sich unter keinen Umständen dem Dresscode (Strümpfe, Röcke, Perlenketten) der angehenden Schauspielerinnen unterwerfen wollte.

Doch dann waren beim Musical „Fiddler On The Roof“ Stellen frei. Melanie hetzte ins Gebäude, wo das Vorspielen stattfand, drückte die falsche Klinke und fand sich im Büro des berühmten Musikproduzenten-Duos Hugo & Luigi. Der Irrtum klärte sich rasch, da sie aber einen Gitarrenkoffer bei sich trug, nötigten sie die beiden zum Vorsingen ihrer ersten eigenen Lieder. „Hugo und Luigi beherrschten den Broadway. Ihr Büro glänzte nur so von Gold, Edelholz, teuren Lustern. Sie wussten nicht genau, was sie von mir halten sollten. Also schickten sie mich zu Peter Schekeryk, ihrem neuen A&R-Manager.“ Der wurde Melanies Produzent, später Ehemann. Unter den ersten Songs, die Melanie mit ihm aufnahm, war „Beautiful People“, heute ein Evergreen.

Woodstock: Warten im Schlamm

Neben Raspelstimme Brenda Lee waren ihre Vorbilder Europäerinnen: Lotte Lenya, Edith Piaf. Und sie hatte auch zuerst Erfolg am Alten Kontinent, etwa mit Gilbert Becaud einen Monat lang im Pariser Olympia. Sie arbeitete soeben mit den Londoner Philharmonikern, als sie ein Ruf in die Heimat ereilte. „Ich kannte zufällig Michael Lang, Art Tripp und die anderen Woodstock-Organisatoren. So deponierte ich mein Interesse, am Festival teilzunehmen. Ich dachte an eine Art Picknick auf von Kühen gesäumten Feldern. Als es so weit war, wollte ich zuerst gar nicht weg aus London. Aber dann flog ich doch hin, war überwältigt von den Dimensionen. Mein persönliches Woodstock-Erlebnis war ziemlich gemischt. Man wies mir ein Zelt im Schlamm zu, wo ich stundenlang auf meinen Auftritt wartete. Auf der Bühne fürchtete ich mich fast zu Tode. Als es dann so weit war, hatte ich eine ,Out-of-body-Erfahrung‘. In diesem emotionalen Ausnahmezustand wurde ich zu einer anderen Person, da wurde ich zu Melanie.“

Nie wieder sollte sie Lampenfieber haben. Nicht einmal in der Carnegie Hall. Einige Jahre schrieb sie Hit um Hit. „Candles In The Rain“, „What Have They Done To My Song, Ma?“, „I‘m So Blue“ (mit Jazzstar Art Pepper am Saxofon) und „Brand New Key“, das kürzlich R&B-Diva Macy Gray aufnahm. „Just als ich ,Neighborhood Records‘ gründete und ,Brand New Key‘ lancieren konnte, wurde das zu einer Art Gefängnis. Wieder einmal hatte ich mit Jazz und Humor getändelt und damit drei Millionen Platten verkauft. Die Folge war, dass man von mir nur mehr Variationen des erfolgreichen Songs erwartete. Da musste ich enttäuschen.“

Weiblicher Dylan? „Nicht charmant“

Auch ihr Hippie-Image stieß auf Melanies Missfallen. „Weiblicher Bob Dylan nannte man mich“, sagt sie stirnrunzelnd: „Das fand ich nicht charmant. Obwohl ich einige Ziele der Hippie-Bewegung okay fand, zählte ich mich selbst eher zu den Beatniks, deren künstlerische Ideale mich viel früher anzogen. Auch sagte ich stets, ich sei nicht ,anti-war‘, sondern bloß ,pro-peace‘.“

Dennoch blieb die 1947 geborene Künstlerin bis heute die liebe Hippie-Märchenfee. Ihr aktuelles Album „Paled By Dimmed Light“ zehrt von ihrer Gabe, gute Melodien zu schreiben, von ihrer nach wie vor markanten, gutturalen Stimme. Und das Touren? „Zuweilen hart. Aber wenn ich auf der Bühne stehe, ist alle Unbill vergessen. Ich werde wohl live singen, bis ich meinen letzten Seufzer tue.“ In Wien galt ihr erster Ausflug einer Konditorei und dem Naturhistorischen Museum: der Venus von Willendorf.

Dieser Artikel ist vom 29. Oktober 2004.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.