Gastkommentar

Die mundtot gemachte Mitte 

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Es gibt viele Fragen nach dem Rechtsextremen-Treffen in Potsdam und den Massendemonstrationen von Berlin bis Wien.

Soll ein Bundespräsident Massendemonstrationen loben, wenn dort Plakate wie „Gegen rechts“ und „Die ganze Stadt hasst AfD“ hochgehalten werden? Wird da bewusst zwischen rechts und rechtsextrem nicht unterschieden? Ist nur alles gut, was links ist? Gibt es guten und bösen Hass? Ist es sachlich richtig und journalistisch korrekt, wenn Kommentatoren in Medien Hunderttausende Protestierende als „schweigende Mehrheit“ bezeichnen? Freut sich da nicht eine überwiegend linksorientierte Regierung, von den Schwächen ihrer Politik ablenken und ihre Anhänger mobilisieren zu können – ganz gleich, ob dabei auch Linksextreme die Demos befeuern?

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Ist nicht jede Art von Extremismus und Demokratiefeindlichkeit abzulehnen? Gehören die Begriffe „Rechts“ und „Links“ nicht zu den Fundamenten einer sozialen wie freien Gesellschaft, weil sie jedem Menschen die Möglichkeit geben, eine Entscheidung nach seinem Gewissen zu treffen? Eine Entscheidung darüber, welche Richtung er auf seinem Lebensweg einschlägt? Wird mit der beabsichtigten oder achtlosen öffentlichen Ächtung von Rechts und der medialen Aufbereitung dieser Ächtung nicht alles, was rechts ist, in Misskredit gebracht?

Ist nur alles gut, was links ist?

Was glauben Sie, wie sich die Mitte der Gesellschaft fühlt, wenn sie nicht als breiter, ausgewogen-wertvoller Mittelbau anerkannt wird, sondern nur als Punkt zwischen links und rechts? Wenn sie mit jeder ihrer maßvollen Äußerungen entweder als Faschist und Nazi oder als Gutmensch und Kommunist bezeichnet wird? Wie es sich anfühlt, wenn man durch die Ächtung von Rechts oder Links der Hälfte seines abwägenden Denkens, seiner Welt, seines Ichs beraubt zu werden droht? Oder gar von beiden Seiten mundtot gemacht wird? Ist es daher nicht nachvollziehbar, dass sich jemand, der sich immer abwägend zur Mitte bekennt und von jedem Extremismus fernhält, durch polarisierende Massendemonstrationen genauso wie durch rassistische Remigrationspläne abgestoßen, negiert, ja vergewaltigt fühlt?

Andererseits: Sind die Schaffung des Bündnis Sahra Wagenknecht und die bevorstehende Parteigründung der Werteunion in Deutschland nicht ein Indiz dafür, dass sich bisher extremistische Politik von zwei Seiten der Mitte annähern will? Versuchen nicht in Österreich die liberalen Neos sowie die Bierpartei, Mitte-Wähler anzusprechen? Ist das vielleicht ein Signal für die nach Machterhalt strebenden traditionellen Parteien, bei sich etwas zu ändern? Ein Hoffnungsschimmer für die wahre schweigende Mehrheit, die Mitte?

Wolfgang Lusak ist Gründer der unabhän­gigen Lobby der Mitte und Coach für die Durchsetzung von digital-nachhaltigen Innovationen von Mittelstandsbetrieben.

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