Mein Freitag

Wann kommst du heim, und haben wir noch Eis?

Schon eine harmlose Frage erzählt viel über die, die sie stellen, aber auch jene, die antworten.

Aus einer banalen Frage kann schnell eine Situation werden. Auf die Frage, ob mir jemand einen Regenschirm borgen könne, kommen aus der Kollegenschaft folgende Antworten: Er habe nur einen „Presse“-Regenschirm, und wenn der verloren ginge, wäre er richtig sauer, sagt ein Kollege. Nein, danke dann. Regenschirme verliert man ja viel häufiger noch als die Hoffnung. „Gehst leicht raus, kannst du was mitnehmen?“, fragt die hungrige Sitznachbarin. Belehrung kommt aus der anderen Ecke: „Es regnet eh nur leicht.“ (Stell dich nicht so an, soll das heißen.) Man eilt also ohne Schirm zum Termin und wird tropfnass.

„Wann kommst du heim?“, fragt das Kind, und welche Antwort es erhofft, hängt vom Alter ab. Ist es älter als 14, wünscht es einen möglichst späten Zeitpunkt (aber früh genug, um nicht zu verhungern). Jüngere sind gar nicht gern allein zu Hause und lösen schon mit der Frage eine schnellere Gangart aus. Es ist ja schön, wenn sich jemand freut, dass man nachhause kommt.

„Haben wir kein Salz?“, fragt der Ehemann in Mareike Fallwickls fulminantem Roman „Die Wut, die bleibt“ und löst damit eine Katastrophe aus. Ein Buch, das schmerzt und tröstet. Diese Szene vergisst man nie wieder. Es ist gar nicht so selten im Alltag, dass jemand fragt: „Ist noch Eis da?“ oder Käse oder Papier im Drucker, und irgendwer flippt aus, weil er darin einen Vorwurf erkennt, und alle anderen schütteln entgeistert den Kopf. War doch nur eine harmlose Frage.

Kommunikationsquadrat oder Vier-Ohren-Modell hat das der deutsche Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun genannt. Demnach kann jede Äußerung von vier Seiten interpretiert werden: Sachebene, Selbstoffenbarung, Beziehungsseite und Appellseite. Ob nun endlich jemand zum Supermarkt geht und Eis besorgt, hängt aber davon ab, ob es noch regnet.

E-Mails: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

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