Junge Forschung

Aus Zellen wird ein Mensch

Menschen weltweit, die sich für Wissenschaft begeistern, inspirieren die gebürtige Oberösterreicherin Johanna Gassler.
Menschen weltweit, die sich für Wissenschaft begeistern, inspirieren die gebürtige Oberösterreicherin Johanna Gassler.Clemens Fabry
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Wenn Ei- und Samenzelle verschmelzen, braucht es Signale, die die Bildung eines neuen Organismus einleiten. Einen solchen Faktor fand die Arbeitsgruppe um Johanna Gassler.

Es fasziniere sie, sagt Johanna Gassler, dass die ersten Embryozellen alle unterschiedlichen Zellen im Körper aufbauen können, dass aber die Vorläuferzellen – die Spermien und die Eizelle – sich selbst gar nicht mehr teilen. Nur wenn sie verschmelzen, kann sich das Erbgut zurücksetzen und sich der ganze Körper ausbilden.

Der genaue Fokus von Gasslers Forschung liegt darauf, eben jene Faktoren zu finden, die bei dem Vorgang des „Reprogrammierens“ eine Rolle spielen. Denn das embryonale Erbgut „schläft“ sozusagen. Dessen Erwachen ist der erste Prozess, der passieren muss, damit sich die Zelle weiter teilt. „Erst dann kann der Embryo seinen eigenen Stoffwechsel starten und sich weiterentwickeln“, erklärt die Molekularbiologin.

Schichtarbeit im Labor

Die DNA ist in Zellen nicht frei zugänglich, sondern im sogenannten Chromatin, dem Material, aus dem die Chromosomen bestehen, dicht gepackt. Es muss sich öffnen, damit sich molekulare Faktoren binden und das Ablesen der DNA starten kann. Bei der embryonalen DNA braucht es wiederum spezielle Faktoren, die auch das Chromatin selbst öffnen können. „Solche Faktoren, die ihr eigenes Motiv in der dicht verpackten DNA erkennen, nennt man Pionierfaktoren“, sagt die gebürtige Oberösterreicherin, „Wir haben uns die Kontrollregion für die ersten Gene, die abgelesen werden, angeschaut und sind so auf den Faktor Nr5a2 gestoßen.“

»Ich habe als Studentin nie gewusst, wie gut die Wissenschaft in Österreich ist.«

Die Experimente für diese Entdeckung führte die 32-Jährige in Wien am Institute of Molecular Biotechnology (IMBA) durch, finanziert durch die Max-Planck-Gesellschaft und die EU. „Wir haben gesehen, dass das Chromatin dicht gepackt bleibt und das Genom nicht mehr aufwachen kann, wenn man Nr5a2 ausschaltet.“ In ihrer aktuellen Arbeit beschäftigt sich Gassler, die inzwischen am Max-Planck-Institut für Biochemie bei München forscht, mit weiteren Faktoren, die an dieselbe Kontrollregion binden. „Wie so oft ist wahrscheinlich ein Netzwerk an Faktoren, die die Prozesse beeinflussen, verantwortlich. Nr5a2 ist nur der erste größere Faktor, den wir gefunden haben.“

Gerade in der Anfangsphase der Entdeckung von Nr5a2 mussten sie und ihre Kollegen nicht nur wissenschaftliche Probleme lösen, denn: „Die ersten wichtigen Experimente haben wir in Wien direkt während der ersten Lockdowns gemacht.“ Damit alle bei den spannenden Versuchen dabeisein konnten, wurde im Rotationsprinzip gewechselt. „Mit Schichtarbeit haben wir geschaut, dass das irgendwie funktioniert.“ 

Gassler ist inzwischen mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden, u. a. dem ÖGMBT Life Science Award und dem Angelika Amon Award des MIT. Doch sie betont: „Es war die Arbeit als ganzes Labor der Tachibana-Forschungsabteilung (die gebürtige Grazerin Kikuë Tachibana ist Direktorin am Max-Planck-Institut für Biochemie; Anm.), das alles wäre sonst nicht möglich gewesen!“

Vortrag vor Nobelpreisträgern

In ihrer Freizeit geht Gassler gern Bouldern. „Ich habe das Gefühl, das ist ein typisches Wissenschaftler-Hobby, zumindest kenne ich einige, die das machen“, schmunzelt sie. „Ich liebe reisen. Wenn’s geht, schaue ich mir sehr gern neue Sachen an“, fügt sie hinzu. Auch Wien, wo sie weiterhin einen Nebenwohnsitz hat, besucht sie regelmäßig.

Ein besonderes Highlight war ihre Teilnahme bei der Lindauer Nobelpreisträgertagung am Bodensee im vergangenen Sommer. „Da lernt man Nobelpreisträger und junge andere Wissenschaftler aus der ganzen Welt kennen. Es ist so inspirierend, wenn man sieht, dass es einfach überall Leute gibt, die sich für Wissenschaft begeistern“, schwärmt Gassler. „Ich habe einen Vortrag halten dürfen, bei dem vier Nobelpreisträger im Publikum waren. Vielleicht das Highlight in meiner wissenschaftlichen Karriere.“

Aber auch die heimische Wissenschaft verdient für sie Lob: „Ich habe als Studentin nie gewusst, wie gut die Wissenschaft in Österreich ist, und ich glaube, dass in der breiten Öffentlichkeit gar nicht bekannt ist, welche guten Leute wir da haben!“

Zur Person

Johanna Gassler (32) wurde 2023 mehrfach für ihre Forschung an der Embryonalentwicklung ausgezeichnet, u. a. mit dem ÖGMBT Life Science Award. Die gebürtige Oberösterreicherin absolvierte ihr Studium an der Uni Wien und forschte im Zuge ihres Doktorats am IMBA (Institute of Molecular Biotechnology) in Wien und am MPIB bei München.

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