Sport

Digitale Augen sitzen mit auf dem Schlitten

Im virtuellen Eiskanal simuliert Olympionike und Forscher Rupert Staudinger die Lenkbewegungen beim Rodeln.
Im virtuellen Eiskanal simuliert Olympionike und Forscher Rupert Staudinger die Lenkbewegungen beim Rodeln.Salzburg Research
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Beim Rodeln Feedback zu geben ist schwierig – zu minimal sind die Bewegungen, zu schnell saust das Sportgerät im Eiskanal vorbei. Ein neues System mit Sensoren soll das ändern.

Darüber nachgedacht, so etwas zu entwickeln, hätten schon viele in seinem Sport, sagt Rupert Staudinger. Nur gemacht habe es noch keiner. Die Rede ist von einem digitalen Feedbacksystem, das während der Fahrt wichtige Daten zur Körperposition erfasst. Denn beim Rodeln steuert man den Schlitten durch feinste Gewichtsverlagerungen des Oberkörpers, Zug an den Haltegriffen und Beindruck an den Hörnchen, dem Aufbug der Kufen. All das ist von außen bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h kaum erkennbar. Konkrete Hinweise im Training zu geben ist daher schwierig. „Eigentlich bewertet man mehr die Folgen eines Fehlers, also wenn sich die Fahrlinie ändert, und weniger, warum es dazu gekommen ist“, schildert Staudinger.

Der zweifache Olympiateilnehmer im Rennrodeln und angehende Sportwissenschaftler, der bei Salzburg Research als Nachwuchsforscher arbeitet, hat das Thema für seine Masterarbeit angepackt. Auf Anregung des deutschen Bob- und Schlittenverbands, wie er betont, bei dem er auch selbst Trainer ist. Künftig sollen Sensoren sehen, was der Mensch mit freiem Auge nicht wahrnehmen kann, wünscht sich der gebürtige Bayer.

Weit mehr als Schrittzähler

Die Forschungsgruppe Human Motion Analytics, der er angehört, setzt den Fokus auf die Digitalisierung und Analyse menschlicher Bewegung, „Das geht aber deutlich über den klassischen Schrittzähler hinaus“, sagt Staudingers Betreuer, Wolfgang Kremser. „Wir machen schon Quantifizierung von Bewegung, aber uns interessieren mehr die qualitativen Aspekte: Wie kann ich mich gut oder noch besser bewegen?“

»Über unsere Algorithmen wurde bewertet, ob Übungen wie Kniebeugen aus physiologischer Sicht richtig gemacht wurden.«

Wolfgang Kremser,

Salzburg Research

So hat man hier etwa einen digitalen Skischuh entwickelt, um zu sehen, wie sich ein Fahrer im Schuh bewegt, wo er Druck ausübt und wie er aufkantet. Daraus lässt sich schließen, was er besser machen kann. Mittlerweile nutzt man das digitale Modell auch, um zu sehen, ob ein Schuh zum Fuß passt. In einem anderen Projekt wurde ein Kamerasystem für zu Hause entwickelt, vor dem man Fitnessübungen machen kann: „Über unsere Algorithmen wurde bewertet, ob Übungen wie Kniebeugen aus physiologischer Sicht richtig gemacht wurden, also etwa, dass die Knie nicht über die Zehen stehen. Die Kamera hat das gemessen, und wir haben dann Feedback gegeben.“ 

Um die Daten beim Rodeln als Basis für Feedback nach der Fahrt festzuhalten, nutzt das Forschungsteam sechs hauchdünne, in drei Schichten aufgebaute Drucksensoren. Zwei werden im Bereich der Schultern des Athleten am Schlitten befestigt, zwei an den Haltegriffen und zwei an den Hörnchen. Und so gleicht die Rennrodel, mit der Staudinger für Großbritannien bei Olympia 2022 in Peking teilgenommen hat, momentan mehr einem Hightech-Analysegerät als einem Sportartikel. Denn bevor es irgendwann auf die Rennstrecke geht, wird im Labor getestet. Profisportler Staudinger wirkt dabei selbst als Proband, liegt auf der Rodel und steuert sie durch einen fiktiven Eiskanal. Lenken sei eine Ganzkörperbewegung mit feinen, perfekt aufeinander abgestimmten Bewegungen, erklärt er.

Auf dem Eis geht es anders zu

Der Mensch steht im Mittelpunkt der Entwicklungsarbeit, das nennt man User Centered Design. „Wir schauen immer: Was braucht der Sportler?“, erläutert Kremser. Noch sei man mitten in den Auswertungen, die ersten Daten zum Laborprototyp seien jedenfalls vielversprechend, sagt der Forscher, der sich mehr in der Wissenschaft als auf der Rennrodel im Eiskanal sieht. „Im Labor habe ich es aber schon ausprobiert, es ist schon sehr beeindruckend.“

Wann die Innovation den Weg in die Praxis finden wird, ist noch offen. „In der Forschung steht man sonst auf den Schultern von Riesen, nur die gibt es im Rodelsport noch nicht. Wir bewegen uns auf der grünen Wiese“, sagt Kremser. Der nächste Schritt soll eine Feldstudie im Eiskanal sein, bei der man jedoch mit ganz anderen Herausforderungen als im Labor rechnet. „Es ist wesentlich kälter und feuchter, dazu kommen die Vibrationen auf dem Eis“, so Kremser. Zudem brauche man noch eine kleinere, mobile Lösung für das Messsystem – hier könnte man aber von Ansätzen aus früheren Projekten profitieren.

Staudingers Ziel ist vor allem, mit der Forschung seinen Sport voranzubringen. Ob es künftig auch ein System geben könnte, das Trainierenden – etwa durch ein akustisches Signal – schon während der Fahrt Feedback gibt? Das sei durchaus denkbar, sagt der 26-Jährige. Nur habe es bis dato eben auch noch keiner gemacht.

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