Mein Dienstag

Swimmingpool

Mit Swimmingpools verbinden die meisten Menschen irgendeine Sehnsucht. Oder Fantasie.
Mit Swimmingpools verbinden die meisten Menschen irgendeine Sehnsucht. Oder Fantasie. Die Presse
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Das Leben ist nichts anderes als die endlose Probe einer Vorstellung, die niemals stattfindet? Falsch!   

Es gibt da diese Szene in „Die fabelhafte Welt der Amelie“ (2001). In Situationen, in denen einem nicht die richtigen Worte einfallen, sollte es einen Souffleur geben, der sie einem zuflüstert, sagt Amelie. Wir alle kennen diese Situationen, in denen es so viel zu sagen gäbe, wir aber sprachlos sind. Erst vor ein paar Tagen musste ich daran denken, als ich im Stadtpark neben einem verliebten Pärchen saß. Die beiden sahen einander an, wie das eben nur verliebte Menschen machen können – unterbrochen von Gesprächen über Belangloses. Vor allem seine verlegenen Blicke fielen mir auf.

Diese Verlegenheit, mein gutaussehender Freund, ist unnötig. Warum sprichst du denn das Offensichtliche nicht aus, anstatt über das Wetter und die Arbeit zu reden? Warum sagst du nicht einfach, dass eure gegenseitige Anziehung dich an alles Schöne, Aufregende und Magische auf der Welt erinnert? An das Gefühl im Spätsommer, wenn du auf einer Wiese im Schatten eines Baums liegst und der warme Wind unter dein T-Shirt kriecht. An den Kuchen aus Mürbteig, den dir deine Oma serviert hat, wenn du sie als Kind nach einem langen Schultag besucht hast. An die orange Hälfte von einem Twinni. An London an einem sonnigen Tag. An einen Herbstspaziergang im gelbroten Laub einer breiten Allee. An einen Film mit Happy End. An die schöne Seite einer Medaille. An New York an einem sonnigen Tag. An die erste Reihe bei einem Festival. An ein Skirennen mit österreichischem Sieg. An einen 24. Dezember mit Schneefall. An Madrid an einem sonnigen Tag. An die grüne Hälfte von einem Twinni. An ein Buch, das dich mit jeder Seite stärker in seinen Bann zieht. An das Glitzern der Sonnenstrahlen auf der Oberfläche eines Swimmingpools. An Lissabon an einem sonnigen Tag. An ein Wimbledon-Finale mit Federer-Beteiligung. An eine Disco mit einem DJ, der dir alle Musikwünsche erfüllt. An deine erste eigene Wohnung. An Istanbul an einem sonnigen Tag. An deinen ersten Urlaub ohne Eltern. An den Duft von Chlor im Schwimmbad, der dich immer an deine schönsten Sommerferien erinnern wird. An das Spiegeln des Mondes auf dem Meer. An Rom an einem sonnigen Tag. An jene Gedanken am Morgen nach der Matura, als du dachtest, dass dir die ganze Welt offensteht und du die Wahl hast zwischen einer Karriere als Rockstar, Popstar oder Filmstar.

Ja, an jenem Nachmittag wäre ich gern dein Souffleur gewesen, um deinen Tag perfekt zu machen. Nicht ein einziges dieser Bilder hätte seine Wirkung verfehlt. Woher ich das so genau weiß? Nun, ich weiß es eben.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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