Krimi-Klassiker

Josephine Tey: Ein Gentleman verschwindet

Josephine Tey tritt posthum aus dem Schatten anderer britischer Krimi-Größen wie Agatha Christie.
Josephine Tey tritt posthum aus dem Schatten anderer britischer Krimi-Größen wie Agatha Christie.Kampa Archiv
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Die Autorin Josephine Tey hat 1951 mit „Alibi für einen König“ offiziell den besten Kriminalroman aller Zeiten geschrieben. „Wie ein Hauch im Wind“ bestätigt, wie gut Tey sich auf ebenso elegante wie intelligente Spannungsunterhaltung verstand. 

Als Detective-Inspector Alan Grant von Scotland Yard seine gute Freundin, die Schauspielerin Marta Hallard, von einer Party abholt, trifft er dort auf einen jungen, ausnehmend gut aussehenden Amerikaner. Leslie Searle ist Fotograf und auf der Suche nach Walter Whitmore, dem Neffen der Party-Gastgeberin Lavinia Fitch. Diese lädt den faszinierenden, wenn auch etwas unheimlichen Mr. Searle spontan auf den Familiensitz in Salcott St. Mary ein, wo dieser sich sehr wohl fühlt, vor allem in Gesellschaft von Walter Whitmores Verlobter Liz. Alan Grant hat den jungen Mann längst vergessen, als er plötzlich nach Salcott St. Mary beordert wird: Denn Leslie Searle ist nach einem Streit mit Walter spurlos verschwunden – wie ein Hauch im Wind.

Das ist auch der deutsche Titel des 1950 verfassten Kriminalromans von Josephine Tey (1896 – 1952), die mit „Alibi für einen König“ 1951 offiziell den besten Krimi aller Zeiten schrieb (so entschied es zumindest die englische Crime Writers’ Association). Josephine Tey (Klarname Elizabeth MacKintosh) war Lehrerin, ehe sie sich dem Schreiben von Theaterstücken und Kriminalromanen zuwandte.

In „Wie ein Hauch im Wind“ lässt Tey ihren brillanten Detective-Inspector Grant seine intuitive Kombinationsgabe ausspielen. Der überzeugte Junggeselle erhält dabei Hilfe von seiner platonischen Freundin Marta sowie von seinem bodenständigen Adlatus, Sergeant Williams, der dem kultivierten Grant „in milder Heldenverehrung“ ergeben ist. Die Leser lässt Tey bis zum Ende geschickt im Dunkeln tappen.

Kavaliere jagen Ganoven

Josephine Teys Krimis werden seit einigen Jahren dank dem Schweizer Kampa-Verlag auch im deutschen Sprachraum wiederentdeckt. Sie sind ebenso elegante wie intelligente Spannungsunterhaltung aus einer Zeit, als Männer noch gerne den Kavalier gaben, Polizisten „Ganoven“ jagten und das herrliche Wort „überkandidelt“ auf Künstler jeder Art passte.

Gewalt spielt in den geschickt konstruierten Krimis kaum eine Rolle, mitunter kommt Tey gegen alle Genre-Regeln sogar ohne ein Verbrechen aus. Ihre Dialoge sind schlagfertig, der Ton der Bücher mit gerade der richtigen Dosis Bissigkeit versetzt, wie ihre Beschreibung eines berühmten Autors zeigt: „Bei einem Menschen, dessen Persönlichkeit zur Gänze aus Fassade besteht, wie das bei Toby Tullis der Fall war, war es schwierig zu entscheiden, wie viel von dieser Fassade Barrikade war und wie viel lediglich Plakatwand.“

Autorin als Ermittlerin

Josephine Tey hat es im übrigen vor einiger Zeit selbst zwischen die Buchdeckel geschafft, und zwar als Ermittlerin. Die englische Autorin Nicola Upson machte 2008 eine fiktive Version von Josephine Tey zur Hauptfigur einer mittlerweile auf zehn Teile angewachsenen Krimiserie. Die ersten Bände, „Experte in Sachen Mord“ und „Mit dem Schnee kommt der Tod“, sind 2023 im Verlag Kein & Aber auf Deutsch erschienen.

Josephine Tey: „Wie ein Hauch im Wind“, übersetzt von Manfred Allié, Oktopus bei Kampa-Verlag, 320 Seiten, 24,50 Euro
Josephine Tey: „Wie ein Hauch im Wind“, übersetzt von Manfred Allié, Oktopus bei Kampa-Verlag, 320 Seiten, 24,50 Euro

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