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„Wo die Lüge hinfällt“: Der Kino-Hit, der alle überrascht hat

Glen Powell ist eine wahre Entdeckung, Sydney Sweeney (bekannt aus „Euphoria“ und „The White Lotus“) brilliert ebenso: Zusammen spielen sie ein herrliches romantisches Verwirrspiel.
Glen Powell ist eine wahre Entdeckung, Sydney Sweeney (bekannt aus „Euphoria“ und „The White Lotus“) brilliert ebenso: Zusammen spielen sie ein herrliches romantisches Verwirrspiel.Sony
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Das hat keiner kommen sehen: „Wo die Lüge hinfällt“ wurde zum Kino-Hit. Eine großartige Romanze, die aber nichts neu macht, ohne Franchise dahinter, ohne Diskursmaterial: Ist das genau, was das strauchelnde Hollywood-Kino gerade braucht?

Niemand anders kann die Worte auf deinen Lippen sprechen“, singt Natasha Bedingfield in ihrem Nullerjahre-Ohrwurm „Unwritten“, der in Will Glucks romantischer Komödie „Wo die Lüge hinfällt“ eine ziemlich wichtige Rolle spielt. Die Worte, um die es im Überraschungshit des bisherigen Kinojahres geht, sind die Worte der Liebe, die Lippen gehören Bea (Sydney Sweeney) und Ben (Glen Powell).

Die beschwingte romantische Komödie, die sich um die beiden herum vor spektakulärer australischer Kulisse entspinnt, hat man so oder so ähnlich schon hundertfach gesehen. Und doch hat Natasha Bedingfield recht: Denn in Filmen wie „Wo die Lüge hinfällt“ geht es nicht darum, welche Worte gesprochen werden, sondern darum, wie sie gesprochen werden; und von wem.

In diesem Fall: Von zwei frischgebackenen Kinostars, denen womöglich eine große Karriere bevorsteht. Sweeney wurde durch die herrlich exaltierte Serie „Euphoria“ bekannt, sie spielte darin eine abgründige, fast schon pathologische Jugendliche. In „Wo die Lüge hinfällt“ brilliert sie hingegen in einer ganz anderen Rolle: Die naive, unreife, ein wenig weinerliche Bea muss erst noch herausfinden, was sie vom Leben will.

Die eigentliche Entdeckung aber ist Powell, den vorher kaum jemand auf dem Schirm hatte: Einen derart charmanten, selbstironischen Herzensbrecher hat Hollywood gefühlt seit Jahrzehnten nicht mehr hervorgebracht. Wie Ben, der zunächst als narzisstischer, bindungsscheuer Womanizer eingeführt wird, sich vom – ausgezeichneten – Drehbuch in ein romantisches Verwirrspiel verwickeln lässt und dabei nach und nach seine Verletzlichkeit offenbart: Das ist schlicht und einfach großes Kino.

Rom-Coms wanderten ins Streaming ab

Gut 150 Millionen Dollar und damit ein Vielfaches seines vergleichsweise niedrigen Produktionsbudgets hat der Film inzwischen an den Kinokassen eingespielt. Und das, obwohl die romantische Komödie zu jenen Genres gehört – siehe auch: Melodramen, Teenie-Komödien, Actionfilme jenseits der Mega­blockbuster –, die in den letzten Jahren fast komplett aus dem Kino verschwunden und in die Streamingdienste abgewandert sind.

Der Erfolg verdankt sich nicht etwa einer besonders originellen Werbestrategie: Nachdem „Wo die Lüge hinfällt“ in den USA in der Startwoche hinter den Erwartungen zurückgeblieben war, hatte vermutlich selbst die Produktionsfirma Sony den Film aufgegeben. Dass es anders gekommen ist, liegt ausschließlich an Mundpropaganda: Über die Wochen wurden die Vorstellungen, entgegen aller Marktlogik, voller statt leerer. Und auch im Ausland, wo der Film nicht so sehr wie in den USA auf den „Euphoria“-Bonus zählen kann, klingeln die Kassen.

Hollywood, von einer langen Reihe überproduzierter Multimillionen-Flops schwer gebeutelt, hat einen solchen Erfolg bitter nötig. Vielleicht sind es ja Filme wie „Wo die Lüge hinfällt“, die der Industrie aus der aktuellen Krise helfen könnten: Filme, die nicht auf Effektfeuerwerke, sondern auf junge, unverbrauchte Gesichter und seit Jahrzehnten erprobte Formeln des Genrekinos setzen. Filme, die kein „cinematic universe“ begründen möchten, sondern einfach nur einen beglückenden Kinoabend unter Freunden versprechen. Filme schließlich, die nicht auf das Wohlwollen der Filmkritik angewiesen sind.

Sehr weiß, sehr heterosexuell

In der Tat wurde „Wo die Lüge hinfällt“ zum Start bestenfalls lauwarm besprochen. Für eine Kritik, die Filme vorrangig auf forcierte Originalität und diskurspolitische Verwertbarkeit abklopft, gibt es in dieser sehr weißen und sehr heterosexuellen Liebesgeschichte mit sanft diverser Rahmung nicht viel zu holen. Dem Erfolg des Films kommt man näher, wenn man anerkennt, dass es Erfahrungen gibt, die jede Generation von Kinogängern selbst machen muss, immer neu und immer anders. Um noch einmal mit Natasha Bedingfield zu sprechen: „Fühle den Regen auf deiner Haut, niemand sonst kann das für dich fühlen.“

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