Morgenglosse

Die Angst vor der Genschere ist unsinnig

Gut, dass das EU-Parlament für Einsatz neuer Gentechnik an Pflanzen votiert. Seltsam, dass fast alle österreichischen Parteien dagegen sind.

Die von Boulevardblättern, besonders in Österreich, schon vor zwei Jahrzehnten geschürte Angst vor grüner Gentechnik hat sich bisher als unbegründet erwiesen: Transgene Pflanzen haben keine schädlichen Wirkungen gezeigt. Trotzdem dürfen sie in Österreich weiterhin nicht angebaut werden. Das mag man als – etwas übertriebenen – Respekt vor der hierzulande hoch geschätzten Biolandwirtschaft akzeptieren: Ökobauern wollen damit werben, dass ihre Produkte gentechnikfrei sind. Die nun vom EU-Parlament angenommene Gesetzesvorlage nimmt auf solche Bedenken weitgehend Rücksicht: Sie erlaubt nur, solche Gene ins Genom einer Pflanze einzuführen, die im Genpool der jeweiligen Art ohnehin vorkommen. Und zwar mit der höchst selektiven Crispr/Cas-Methode, die treffend als Genschere bezeichnet wird.

Dennoch haben die Abgeordneten von vier österreichischen Parteien (ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne) dagegen gestimmt, nur die Neos plädierten dafür. Das ist kein gutes Zeichen. Es zeigt, dass österreichische Politiker weiterhin gern auf Wissenschaftsfeindlichkeit setzen. Das bedeutet in diesem Fall, nur zum Beispiel, etwa den Verzicht auf Anbau von Erdäpfeln, die durch Resistenz-Gene von Wildkartoffeln vor Knollenfäule sicher sind, was drastische Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln erlaubt.

Ein pseudogrünes Verbot also, das wirklich grüne, umweltfreundliche Methoden verhindert. Ähnlich verhält es sich mit der derzeit prophylaktisch geschürten Abneigung gegen „Kunstfleisch“, also Fleisch aus Zellkulturen. Jedem Menschen, der für Maßnahmen gegen die Erderwärmung ist, muss klar sein, dass Verringerung der Viehzucht dazu viel beitragen kann. Da nur wenige Menschen bereit sind, auf Fleischkonsum zu verzichten, ist teilweiser Umstieg auf Zellkulturen – vor allem für Fleischprodukte, bei denen die Konsistenz keine Rolle spielt, etwa Faschiertem – eine gute Alternative, die auch das durch Massenhaltung erzeugte Tierleid verringern kann. Man wird rücksichtslose Populisten unter den Politikern auch daran erkennen, dass sie gegen „Kunstfleisch“ polemisieren. Ob ihnen das etwas bringt, wird man sehen; dem Klima wird es schaden.

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