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Die vergessenen Spenderinnen und Spender des Volksheim Ottakring

Volkshochschule in der Neumayrgasse 14 in Ottakring, um 1930.
Volkshochschule in der Neumayrgasse 14 in Ottakring, um 1930. Foto: Sammlung Hubmann/Picturedesk
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In wenigen Monaten wird das Volksheim Ottakring generalsaniert sein und seine Tore für Lernende öffnen. Ob die Tafeln mit den Spendernamen, die von den Nationalsozialisten entfernt wurden, wieder aufgehängt werden?

Wenn ich für ein Treffen das Café Landtmann wähle und dort ausnahmsweise ein wenig Zucker in den Espresso gebe, wenn ich zufällig im Internet auf eine Reproduktion des Gemäldes „Die Judenbraut“ von Rembrandt stoße, am Hotel Imperial vorbeigehe oder mir die vielen Wartenden am Hohen Markt signalisieren, dass bald wieder Leben in die Ankeruhr kommen wird, dann muss ich an das Volksheim Ottakring denken. Eine Liste mit Namen maßgeblicher Spenderinnen und Spender für den Baufonds 1905 fiel mir vor Kurzem wieder in die Hände und mahnte mich, endlich die Geschichte hinter den Namen zu recherchieren.

Im Jahr 1940 wurden zwei Marmortafeln im Vestibül des Volksheims Ottakring von den Nazis entfernt und sind seitdem verschwunden. Eine Abschrift fand sich Jahrzehnte später im Österreichischen Volkshochschularchiv. Im Jahr 2019 wurden auf Initiative von Christian H. Stifter und mir zwei Erinnerungstafeln im Vorraum der Volkshochschule, die an diesen Raub gemahnen sollten, montiert. Es war eine späte Verpflichtung, sonst hätten die Nazis mit ihrem Versuch, die Geschichte auszulöschen, doch gesiegt. Lange hat es gedauert, um klarzumachen, dass Vergessen keine Tugend ist und die Perspektive auf die Gründungsgeschichte verengen kann. Rückblickend scheint es fast, als wäre es nach 1945 leichter gewesen, mit dieser Leerstelle zu leben.

Eine Hochschule nicht für das Volk?

Was haben Bankiers, Fabrikanten, Adelige und Geadelte, Industriekapitäne, Universitätsprofessoren und Philanthropinnen denn gemeinsam? Sie alle spendeten namhafte Summen für das Volksheim. Der Name Volkshochschule war dem Verein verboten worden. Amtlicherseits wurde die Auffassung vertreten, dass eine Hochschule nicht für ­das Volk da sei und eine derartige Benennung ­somit eine Anmaßung darstelle. Um die Gründung dennoch zu ermöglichen, erklärten sich die Unterstützer mit der Bezeichnung „Volksheim“ einverstanden. Das „Rote Wien“ war mit Recht stolz auf seine Volkshochschulen. Mehr als ein Drittel der auf ­den verschwundenen Gedenktafeln Verzeichneten waren Juden, ob sie nun getauft oder noch immer Mitglieder der Kultusgemeinde waren.

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