Wahltag

Parlamentswahl in Pakistan von tödlichen Anschlägen begleitet

In Quetta, Pakistan, wird bereits ausgezählt.
In Quetta, Pakistan, wird bereits ausgezählt. APA / AFP / Banaras Khan
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Sieben Menschen kommen bei einem Sprengstoffanschlag und Schüssen am Tag der Parlamentswahl in Pakistan ums Leben. Insgesamt 600.000 Sicherheitskräfte sollen die Wahl sichern. Die Justiz hat die Opposition weitgehend demontiert.

In Pakistan wird ein neues Parlament gewählt. Als Favorit gilt der frühere Ministerpräsident Nawaz Sharif von der Muslimliga. Die Parlamentswahl findet unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, trotzdem wurden am Donnerstag bei Angriffen auf Sicherheitskräfte nach Behördenangaben bereits mindestens sieben Polizisten getötet. Rund 130 Millionen Menschen sind aufgerufen, über die Machtverteilung in der Nationalversammlung und den Provinzparlamenten der Atommacht abzustimmen.

Die Wahllokale sind von 8 bis 17 Uhr (Ortszeit, 4 bis 13 Uhr MEZ) geöffnet, wegen der fragilen Sicherheitslage sind 600.000 Polizisten und Soldaten im Einsatz. Im Laufe des Abends könnte schon ein vorläufiges Ergebnis feststehen.

Bereits am Mittwoch waren bei zwei Explosionen in der südwestlichen Provinz Belutschistan in der Nähe von Büros von Kandidaten mindestens 26 Menschen ums Leben gekommen. Zu den Anschlägen bekannte sich der radikale Islamische Staat.

Sicherheitskräfte angegriffen, Explosionen, Internetausfälle

Am Wahltag wurden in Kulachi im Distrikt Dera Ismail Khan im Nordwesten des Landes Sicherheitskräfte während einer Patrouille angegriffen, wie die Polizei mitteilte. Vier Polizeibeamte und ein Vertreter der Grenztruppen seien getötet, drei weitere Polizeibeamte seien verletzt worden, erklärte ein ranghoher Polizeibeamter in der Region. In Belutschistan wurden örtlichen Polizeiangaben zufolge bei einer Explosion in der Nähe eines Wahllokals in der Stadt Lajja zwei Sicherheitsbeamte getötet und neun weitere verletzt. In der Hafenstadt Gwadar seien durch „kleinere Explosionen“ zwei Menschen verletzt worden.

Internet und Mobilfunkdienste waren am Wahltag in zahlreichen Regionen gestört, wie die Organisation NetBlocks, die für die Beobachtung von Internetsperren bekannt ist, auf der Plattform X berichtete. Das Innenministerium in Islamabad hatte den Schritt nach den Anschlägen in Belutschistan mit der Sicherheit für die Wählerinnen und Wähler begründet, die die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) für sich reklamierte.

Das Militär patrouilliert in Lahore.
Das Militär patrouilliert in Lahore.APA / AFP / Aamir Qureshi

Imran Khan in Haft - unfaire Wahlbedingungen

Seit Monaten prangern Politikexperten und Menschenrechtler in dem Land unfaire Wahlbedingungen an, da die pakistanische Justiz die Opposition weitgehend demontiert hat. Der in der Bevölkerung immer noch beliebte Ex-Premierminister Imran Khan sitzt wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis. Der 71 Jahre alte Politiker sieht sich als Opfer einer politischen Verschwörung und macht das mächtige Militär dafür verantwortlich.

Auch Khans sogenannte Gerechtigkeitspartei Tehreek-e Insaf (PTI) ist gelähmt, da ihre Mitglieder gemäß einem Urteil des Obersten Gerichts nur als unabhängige Kandidaten antreten dürfen. Gegen Khan laufen Dutzende Verfahren, seitdem er im Frühjahr 2022 durch ein Misstrauensvotum im Parlament abgesetzt wurde.

Sharif oder Bhutto

Der Wahlsieg wird nun vor allem zwischen den zwei großen Politdynastien der Sharifs und Bhuttos ausgefochten. Als Favorit gehen die Pakistanische Muslim-Liga (PML-N) und ihr Spitzenkandidat, der dreifache Premier Nawaz Sharif, ins Rennen. Sharif war erst im Herbst 2023 aus dem britischen Exil in seine Heimat zurückgekehrt, in der Zwischenzeit war sein jüngerer Bruder Shehbaz unter anderem Ministerpräsident. Von alten Korruptionsvorwürfen jüngst freigesprochen, erlebte der 74-jährige Ex-Premier ein Comeback. Sharifs Polit-Clan, zu dem auch seine Tochter Maryam zählt, hat seine Basis in der Provinz Punjab, der bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Region des Landes.

Als Außenseiter aber wichtigster Kontrahent Sharifs gilt der 35-jährige Oxford-Absolvent und frühere Außenminister Bilawal Bhutto Zardari, der als Spitzenkandidat für die pakistanische Volkspartei (PPP) antritt. Die Mitte-Links-Partei wird seit ihrer Gründung von der Bhutto-Dynastie geführt. Bhutto Zardaris Mutter war die 2007 ermordete, charismatische Ex-Ministerpräsidentin Benazir Bhutto.

Kein einziger pakistanischer Regierungschef schaffte ganze Amtszeit

Die PPP und die PML-N waren zuletzt Teil einer breiten Regierungskoalition, die Imran Khan gestürzt hatte. Bhutto Zardari sagte dem lokalen TV-Sender Geo News am Abend vor der Wahl, eine weitere Regierungszusammenarbeit mit den Sharif-Brüdern der PML-N sei für ihn unmöglich, wenn die PML-N die immer gleiche Politik fortführe, wie die Zeitung „Dawn“ berichtete. Aktuell regiert wie in Pakistan in den Monaten vor Wahlen üblich ein Übergangskabinett.

Seit der Unabhängigkeit Pakistans vor über 75 Jahren infolge der Teilung Britisch-Indiens kam es immer wieder zu Unruhen und Instabilität im Land. Mehr als die Hälfte dieser Zeit regierte das Militär. Und auch unter den zivilen Regierungen galten Generäle als die Kraft, die über Erfolg oder Scheitern der politischen Führung entscheiden konnten. Bis heute hat kein einziger pakistanischer Regierungschef seine Amtszeit regulär vollendet. (APA/dpa)

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