Gastkommentar

Imame als Akteure der Integration

Der Einsatz von Imamen aus dem Ausland entspricht nicht den religiösen und sozialen Erwartungen der Muslime.

Die Imame und ihre Rolle im Prozess der Integration von Muslimen rücken im Zuge der zunehmenden Integrationsdebatten immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Eine Berufsgruppe, die weder von der Politik noch von der Wissenschaft wahrgenommen wurde, wird zunehmend als wichtiger Akteur bei der Integration betrachtet.

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Die anfängliche Überlegung, die religiöse Erziehung muslimischer Kinder in der Schule könne den Bedarf an religiöser Erziehung in den Moscheegemeinden ersetzen, wurde nach dem 11. September endgültig als unvollständiges Integrationskonzept korrigiert. Der Religionsunterricht konnte die hohen Erwartungen von Politik und Gesellschaft nicht erfüllen.

Die Zunahme theologischer Standorte im deutschsprachigen Raum ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Moscheegemeinden und Imame eine bedeutende Rolle im religiösen und sozialen Leben der Muslime spielen und eine solide Ausbildung benötigen. Bei diesem Umdenkprozess in Europa waren Konflikte programmiert, da die Entsendeländer und Organisationen dieser Imame längst ihre Rolle als wichtigstes Element ihrer Einflussstrategie entdeckt und darauf eine politisch-theologische Infrastruktur aufgebaut hatten.

Furcht vor Einflussverlust

Die Ausbildung von Imamen in Europa aber stört eine etablierte außenpolitische Strategie. Der Widerstand ausländischer Staaten und ihrer Vertretungsorganisationen in Österreich gegen das Islamgesetz 2015 hat weniger mit der Frage zu tun, ob Imame in Europa ausgebildet werden könnten, als vielmehr mit der Gefahr eines möglichen Einflussverlusts.

In Österreich wurde nach dem neuen Islamgesetz nur zögerlich damit begonnen, die theologische Ausbildung der Imame an den Universitäten zu etablieren. Die Berufung von Professoren und anderem wissenschaftlichen Personal erfolgt nur gemächlich, obwohl die Uni Wien zu den europäischen Standorten mit den höchsten Studierendenzahlen zählt.

Dieser Umstand verstärkt die ablehnende Haltung muslimischer ausländischer Staaten, die versuchen, junge Maturanten für ihre Universitäten zu gewinnen. Die wachsende Zahl undurchsichtiger Universitäten auf dem Balkan und vor allem von Universitäten für Auslandstürken in der Türkei sowie die Aktivitäten des Iran und auch Bosnien und Herzegowinas in Österreich sind in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sie ihren Machtverlust durch die theologische Ausbildung hierzulande nicht hinnehmen wollen.

Verheimlichte Zahlen

Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat wenig Einfluss auf die Anstellung von Imamen durch ihre Mitgliedsorganisationen, da die Imame meist ohne Rechtssicherheit bei Vereinen angestellt sind. Es fehlt nach wie vor an klaren Definitionen, was die IGGÖ unter der Berufsgruppe Imam versteht. Ähnliche Schwierigkeiten gibt es auch bei der Frage, was eigentlich eine Moschee ist. Weder das Kultusamt noch die IGGÖ hat bisher die Anzahl der Moscheegemeinden veröffentlicht, auch die tatsächliche Anzahl der Imame und Moscheen ist nicht bekannt. Auf Anfragen, warum die Zahlen nicht veröffentlicht werden, reagieren Kultusamt und IGGÖ leider nicht.

Wichtig ist jedoch, dass Imame an europäischen Universitäten ausgebildet und in den Moscheegemeinden beschäftigt werden. Der Einsatz von Imamen aus dem Ausland entspricht nicht den religiösen und sozialen Erwartungen der Muslime, er kann auch den erwarteten Integrationsbeitrag nicht leisten.

Ednan Aslan (*1959 in Bayburt, Türkei) ist ein österreichisch-türkischer Professor für Islamische Religionspädagogik am Institut für Islamisch-Theologische Studien der Universität Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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