Interview

Vizekanzler Werner Kogler: „Die FPÖ führt sich phasenweise ärger auf als die AfD“

„Diese blauen Putin-Brüder haben eh schon das ganze Jahr Fasching.“ Vizekanzler und Grünenchef Werner Kogler warnt vor einer „Orbánisierung“ Österreichs.
„Diese blauen Putin-Brüder haben eh schon das ganze Jahr Fasching.“ Vizekanzler und Grünenchef Werner Kogler warnt vor einer „Orbánisierung“ Österreichs.Akos Burg
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Vizekanzler Werner Kogler spricht über »blaue Putin-Brüder«, Pläne der Koalition für die Bauwirtschaft und die Zukunft des Pensionssystems.

Herr Vizekanzler, die anderen Parteien begehen kommende Woche den Politischen Aschermittwoch. Sie, durchaus für Ihre Wuchteln bekannt, machen das nicht. Und das im Wahljahr.

Werner Kogler: Unser Ansatz ist ein anderer. Diese Art von Übertreibung und Enthemmung sehe ich nicht als politische Aufgabe. Wir haben schon zu viel Aufregung und Aufeinandereindreschen. Wir sind für konstruktives Arbeiten. Dass einige politische Kräfte in so katholischen Gegenden wie Bayern und Österreich ausgerechnet an einem Feiertag wie dem Aschermittwoch noch lauter im Bierzelt herumgrölen, müssen sie mit sich selbst ausmachen. Diese blauen Putin-Brüder haben eh schon das ganze Jahr Fasching. Das ist ja Teil des Problems.

Waren Sie deshalb bei den Demos gegen Rechtsextremismus in Wien und Graz?

Ja, weil der liberale Rechtsstaat unter Beschuss ist, weil wir unsere Art zu leben, unseren Wohlstand und unsere Demokratie verteidigen müssen. Der blaue Führer sagt klar, sein Vorbild ist Orbán. Ungarn lebt hauptsächlich noch davon, dass es viele EU-Milliarden einsackt. Dazu kommt: Die FPÖ führt sich phasenweise ärger auf als die AfD, die wenigstens ansatzweise Konsequenzen gezogen hat. In Potsdam ging es um die Deportation von Staatsbürgern, nur weil sie, zugespitzt gesagt, in vierter Generation keinen Ariernachweis haben. Dieser Herr Sellner ist ein deklarierter Vorreiter des neuen Völkischen und die FPÖ verteidigt diese Neonazis. Das Dankbare bei den Rechtsextremen ist, dass sie ihre Nähe zu Orbán und Putin offen zelebrieren. Wenn das die Zukunft Österreichs und Europas sein soll, sage ich gute Nacht. Das ist der komplette Niedergang. 

Aber wenn das so ist, wieso haben die Rechtsparteien so großen Zulauf?

Weil noch nicht genug benannt wurde, wo das hinführt: Wenn Kickl alles durchzieht, kommt Orbánismus. Seit dem Zweiten Weltkrieg hatten wir noch nie so viele Krisen auf einmal. Wirtschaftliche Engpässe und Belastungen waren die Folge. Wir hatten vergangenen Winter die Sorge, dass wir zu wenig Energie für Unternehmen und Haushalte haben. Dass wir das so gut gelöst haben, ist ein Erfolg der Regierung und der Unternehmen, die da mitangepackt haben. Aber das gerät in Vergessenheit. Es gilt weiterhin: Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wird sie ausgenutzt, muss man dagegen auftreten. Aber die Messe ist noch nicht gelesen. Wir können diese Entwicklung aufhalten.

„Die Messe ist noch nicht gelesen“ gilt auch für die Legislaturperiode. Es heißt, Sie arbeiten mit der ÖVP an einem „Mini-Regierungsprogramm“. Was kommt?

Eine Sache ist, die Bauwirtschaft und die Arbeitsplätze dort gezielt zu unterstützten und gleichzeitig den ökologischen und sozialen Wohnbau voran­zubringen. Da gilt es, rasch Projekte loszueisen und zu signalisieren: Bauträger, Genossenschaften, Bauwirtschaft, schaut’s her, da geht die Richtung hin, es geht bergauf! Bevor wir jetzt eineinhalb Jahre eine große Flaute und Kündigungswellen haben. 

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