Tischtennis

Timo Boll: Der alte Mann und der Tischtennis-Ball

Timo Boll
Timo Boll Imago / Revierfoto
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Wer Sieger sucht, die nicht aus China kommen, braucht Ausdauer. Seit 1997 gelang es nur zwei Europäern, Jan-Ove Waldner und Werner Schlager. Seit 2003 dominiert das „Reich der Mitte“ alle Bewerbe. Der Deutsche Timo Boll, der erstmals 1997 teilnahm, bestreitet seine 21. WM.

Als der Deutsche Timo Boll 1997 in Manchester zum ersten Mal bei einer Tischtennis-WM aufkreuzte, war Helmut Kohl Bundeskanzler, vom Euro keine Rede und D-Mark das Zahlungsmittel. Seitdem hat die Menschheit das Smartphone, Internet, Dating-Portale oder Mars-Roboter erfunden. Was aber noch immer nicht gefunden worden ist, ist ein Weg, die Übermacht China bei einem Tischtennis-Turnier zu besiegen, bis auf zwei Ausnahmen: 1997 gewann der Schwede Jan-Ove Waldner, 2003 jubelte Werner Schlager. Ansonst stellt China seit 1995 stets den Champion.

Noch krasser ist der Abstand bei den Frauen: seit 1979 war nur Südkorea (Hyun Jung-hwa, 1993) einmal Sieger. Boll verlor sechs WM- und zwei Olympia-Finali gegen das „Reich der Mitte“. Es beim neunten Versuch zu schaffen, ist sein Antrieb, bei der Team-WM ab Freitag in Busan, Südkorea, anzutreten. Es ist im Alter von 42 Jahren und elf Monaten sein 21. WM-Turnier.

Werner Schlager schrieb Sportgeschichte mit WM-Gold 2003 in Paris.
Werner Schlager schrieb Sportgeschichte mit WM-Gold 2003 in Paris.Reuters / Charles Platiau

Chinas hohe Kunst

Ob Wang Liqin, Wang Hao, Zhang Jike, Ma Long oder Fan Zhendong: die Spieler aus dem „Reich der Mitte“ sind unschlagbar. Besseres Material, andere Beläge, Bälle, mehr Aufmerksamkeit, Geld, Bedeutung, Training: warum China unschlagbar bleibt, kennt viele gründe. Was im Basketball Amerikas Olympia-Auswahl ist, verkörpern sie mit dem Zelluloidball. „Im Einzel habe ich gegen Weltmeister Fan Zhendong neunmal in Folge verloren. Und trotzdem gehst du jedes Mal wieder in das Spiel und versuchst, einen Weg oder eine Lösung zu finden“, sagt Boll.

Ob eine Trendwende gelingt? Ein wenig Hoffnung macht, dass die Chinesen von den vielen Turnieren und verschiedenen Wettbewerben genervt scheinen. Und es, mit fast 43, ein bemerkenswertes Comeback hingelegt hat. 2023 fiel er mehrere Monate wegen einer Schulterblessur aus. Boll war in seiner Karriere zwar schon häufiger verletzt. Aber nichts warf ihn bislang so weit zurück wie diese Auszeit. Im Jänner „platzte dann der Knoten“, wie er selbst es nennt. Boll gewann den deutschen Cup mit seinem Verein Borussia Düsseldorf und das internationale Turnier in Doha. Der viermalige Weltranglisten-Erste schlug dabei reihenweise Top-15-Spieler wie Lin Yun-Ju (Taiwan), Tomokazu Harimoto (Japan) und Darko Jorgic (Slowenien), die teilweise mehr als 20 Jahre jünger sind als er. Das Alter spielt bei diesem zeitlosen Spiel eben keine Rolle.

Fan Zhendong gilt als schnell, verbissen, konsequent.
Fan Zhendong gilt als schnell, verbissen, konsequent.Imago / Wang Dongzhen

Bei Olympia ist die Übermacht erdrückend: seit 1988 und der Einführung des Damen-Einzels gibt es ausnahmslos nur Olympionikinnen aus China. Das gleiche gilt für den Teambewerb (seit 2008), bei den Männern währt die Serie seit 2008. Einzige Ausnahme: im Mixed jubelte 2020 in Tokio Japan.

Angst vor dem Rücktritt habe er keine, aufhören hätte er schon öfter können. Böse wäre ihm keiner gewesen. Sein Wunsch? WM-Gold in Busan, in Paris zum siebenten Mal bei Olympia spielen, wenn er es ins Dreier-Aufgebot schafft. Weil er nur Ambitionen kennt, hat er bereits vor der WM angekündigt, nicht als Ersatzmann nach Paris zu fahren. Der Platz wäre für einen jüngeren besser, der Erfahrung wegen. Der kann von sich behaupten, dass Olaf Scholz Bundeskanzler war. Nur, ob er 21 Jahre später noch am Tisch stehen wird wie Boll?

(dpa/fin)

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