Prozess

Plastiksackerl mit 80.000 Euro geraubt: 22-Jähriger freigesprochen

Der Prozess wurde Wiener Landesgericht verhandelt.
Der Prozess wurde Wiener Landesgericht verhandelt.CHROMORANGE / Weingartner via www.imago-images.de
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Ein maskierter Mann schlug einen 32-Jährigen nieder und entriss ihm ein Sackerl mit Bargeld. Die Beweise reichten nicht aus, um einen 22-jährigen Verdächtigen zweifelsfrei als Täter zu identifizieren.

Ein 22-Jähriger ist am Mittwoch am Landesgericht freigesprochen worden. Ihm wurde vorgeworfen, am 11. April 2023 in Wien-Margareten einem 32 Jahre alten Mann mit Gewalt auf offener Straße ein Plastiksackerl mit 80.000 Euro abgenommen zu haben. Dabei waren an der Jacke des 32-Jährigen DNA-Spuren des Angeklagten gefunden worden. „Es gibt Hinweise, dass er der gesuchte Täter ist. Aber, um das zweifelsfrei feststellen zu können, ist es zu wenig“, begründete die Richterin den Freispruch.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Während Verteidiger Michael Dohr den Freispruch sichtlich zufrieden zur Kenntnis nahm - er hatte für den Fall einer Verurteilung das Ende seiner Laufbahn in Aussicht gestellt -, erbat der Staatsanwalt Bedenkzeit. Die Entscheidung eines Schöffensenats ist daher nicht rechtskräftig.

Informelle Geldüberweisung

Fest steht, dass das Raubopfer am Weg von seiner Wohnung zu einer nur 200 Meter entfernten U-Bahn-Station von einem maskierten Mann von hinten angegriffen, mit einem Pfefferspray eingenebelt und niedergeschlagen wurde. Am Ende wurde ihm ein Plastiksackerl mit 80.000 Euro entrissen. Der arabischstämmige 32-Jährige sollte im Rahmen des Hawala-Systems die 80.000 Euro für den Kauf eines Lokals überbringen. Dabei handelt es sich um eine weltweit funktionierende, informelle Möglichkeit der Geldüberweisung ohne Einbindung von Banken oder offiziellen Finanzdienstleistern, das auf zuverlässigen Personen fußt, denen Sender und Empfänger vertrauen

Woher der Räuber wusste, dass das Plastiksackerl, das der 32-Jährige unter seiner Jacke mit sich führte, mit Banknoten gefüllt war, konnte nie ermittelt werden. Auf den 22-Jährigen als möglichen Täter kam man, weil im Schulterbereich der Jacke des Ausgeraubten DNA-Spuren des jungen Mannes gefunden wurden. Es stellte sich außerdem heraus, dass dessen Handy kurz vor dem Überfall im Sender-Bereich des Tatorts eingeloggt war.

„Ich sehe nicht aus wie ein Krimineller“

„Ich habe mit der Sache wirklich nichts zu tun“, versicherte der 22-Jährige, nachdem er von der Justizwache in den Gerichtssaal eskortiert worden war. Der bisher Unbescholtene befand sich seit vier Monaten in U-Haft, er war an seinem Arbeitsplatz - einer Bauspenglerei - festgenommen worden. „Ich bin 2015 nach Österreich gekommen. Ich habe die Sprache gelernt. Ich habe eine Lehre gemacht. Ich habe meine 1400 Euro im Monat. Ich sehe nicht aus wie ein Krimineller, ich bin kein Krimineller“, führte der gebürtige Syrer in erstklassigem Deutsch aus.

In der Verhandlung zeigte sich, dass der Angeklagte in der engeren Umgebung des Tatorts lebt, sodass nicht auszuschließen war, dass die Funkdaten seines Handys deswegen den Verdacht auf ihn gelenkt hatten. Vor allem aber erkannten weder das Raubopfer noch eine Zeugin in ihm den Täter wieder. „Ich kann nicht ausschließen, kann aber auch nicht bestätigen, dass er es ist“, sagte die Zeugin. „Ich denke nicht“, erwiderte der 32-Jährige auf die Frage, ob er den Angeklagten wieder erkenne. Der Räuber sei „groß gewachsen, dünner und dunkelhäutig“ gewesen.

22-Jähriger wieder auf freiem Fuß

Verteidiger Dohr machte dann auch noch darauf aufmerksam, dass sich bei dem Handgemenge zwischen Täter und Opfer DNA-Spuren seines Mandanten nicht nur im Schulterbereich der fremden Jacke, sondern „überall“ finden hätten müssen, „wenn er es war. Die haben ja gerangelt“. Insofern sei davon auszugehen, dass es irgendwann in der Vergangenheit bei einem zufälligen Anstreifen in einem Lokal oder in der Straßenbahn zu einer Übertragung der DNA gekommen sei.

Der 22-Jährige wurde unmittelbar nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Sein Verteidiger kündigte an, Haftentschädigung für die ungerechtfertigte Inhaftierung des jungen Mannes geltend machen zu wollen. „Die kann aber niemals das ersetzen, was ihm widerfahren ist“, bemerkte Dohr. Außerdem seien die 20 bis 50 Euro pro Hafttag, die die Republik an Entschädigung zugestehe, „ein lachhafter, für eine angemessene Wiedergutmachung ungeeigneter Betrag“. (APA)

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