Mein Freitag

Bei Anruf still, sonst muss man auch noch abheben

Kopfhörer sind auch ein Accessoire: Eine Frau bei der New York Fashion Week.
Kopfhörer sind auch ein Accessoire: Eine Frau bei der New York Fashion Week. Edward Berthelot/Getty Images
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Wenn man lang genug wartet, wird auch Peinliches wieder zum Trend.

Das Handy läutet immer dann, wenn der Besitzer weg ist“, merkt eine Kollegin trocken an, während wir ratlos den Klangkaskaden des verlassenen Geräts im Großraumbüro lauschen. Wie immer hat sie völlig recht, denn wer jemals auf einen Anruf gewartet und nur kurz den Schreibtisch verlassen hat, um etwa einen Kaffee zu holen, wird danach mindestens drei Anrufe in Abwesenheit auf seinem Display sehen und sich eventuell für die Belästigung seiner Umgebung entschuldigen müssen. Falls er nicht mehr ganz jung ist.

Nur alte Menschen haben ihr Telefon auf laut gestellt und die peinlichsten unter ihnen einen Song als Klingelton, meint die jugendliche Geschmackspolizei im Haushalt. Angemessen ist es ihrer Meinung nach hingegen, das Handy stets auf lautlos gestellt zu haben, nie abzuheben und das damit zu rechtfertigen, es nicht läuten gehört zu haben. Nun kündigt Schall nur noch vom Gebrauch sozialer Medien.

Der persönliche Klingelton diente der Unterstreichung der Persönlichkeit in der Öffentlichkeit. Klavierkonzerte deuteten auf Intellekt hin, Udo Jürgens auf eine Art von Humor und Techno-Beats auf Coolness. Danach kam das Understatement: Der Nokia-Klingelton wurde zur Kultmelodie. Langsam aber setzte sich die Stille durch, dafür vibrierte es, bisweilen sogar recht rabiat. Manche Geräte sollen sich sogar wütend vibrierend vom Tisch gestürzt haben.

Aber alles kommt irgendwann wieder, man muss nur lang genug warten. Was anfangs cool ist, wird peinlich, wenn es alle machen, und feiert Jahre später ein Comeback. Wer hätte sich träumen lassen, dass junge Menschen wieder große Kopfhörer tragen, wo wir noch von Miniaturen träumten, um die Riesenbiester endlich loszuwerden. Die beste Zeit hat man, wenn man glaubt, die beste Zeit kommt noch. Aber das bleibt ein Geheimnis unter uns.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

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