Trotz zahlreicher Insolvenzen und Marktaustritten wurde 2023 bei Retailimmobilien viel vermietet. Ähnliches wird auch für heuer erwartet.
Der stationäre Handel befindet sich im Umbruch, aber er lebt. Ein starkes Indiz dafür ist die hohe Vermietungsleistung 2023. „Von rund 300 analysierten Geschäften, die im Zuge von Insolvenzen und Marktaustritten österreichweit frei geworden sind, konnten binnen Kurzem 87 Prozent neu vermietet werden“, sagt Walter Wölfler, Head of Retail bei CBRE Austria. Für das laufende Jahr ist er ebenfalls optimistisch: „Wir gehen davon aus, dass auch 2024 die Vermietungsleistung hoch sein wird. Die Städte wachsen, das wirkt sich positiv auf den Bedarf an Einkaufsmöglichkeiten aus.“
Wieder mehr Kaufkraft
Denn der stationäre Handel werde von den Kunden nach wie vor bevorzugt. Dazu komme, dass durch höhere Lohn- und Gehaltsabschlüsse und sinkende Inflation wieder mehr reale Kaufkraft vorhanden sei. Gleichzeitig würden immer wieder attraktive Retail-Standorte aufgrund von Marktaustritten, Insolvenzen und Standortstraffungen verfügbar. Nicht zuletzt seien Branchen wie Health und Beauty nach wie vor auf Expansionskurs. „Während etwa bei Parfümerien ein Flächenrückgang zu erwarten ist, expandieren Drogerieketten und Anbieter von Gesundheitsprodukten“, so Wölfler. Auch die Systemgastronomie erweise sich im Vergleich zu kleinen Gastronomiebetrieben als resilient und habe Potenzial für Expansionen.
Massiv auf Wachstum programmiert sind die Diskonter. „Geiz ist doch geil, wir haben im Diskont die größte Dynamik mit steigenden Verkaufsflächen“, berichtet Roman Schwarzenecker von der Beratungsgesellschaft Standort+Markt. Erhebungen zufolge haben 2023/24 in dem Segment die Verkaufsflächen um 40.000 auf 2,19 Mio. Quadratmeter zugenommen. Sehr viel Bewegung gibt es laut Schwarzenecker dabei im Bekleidungsdiskont. Durch den Markteintritt der polnischen Billigkette Pepco 2021 habe es einen starken Anstieg der Diskontmärkte gegeben, andererseits hätten sich zahlreiche Anbieter wie Orsay, Pimkie und Colloseum zurückgezogen. Insgesamt gibt es derzeit im Bekleidungsdiskont 971 Stores mit 452.000 m2. Am stärksten zugelegt mit 15 neuen Filialen hat 2023/24 der Textildiskonter NKD.
»Geiz ist doch geil, wir haben im Diskont die größte Dynamik mit steigenden Verkaufsflächen.«
Roman SchwarzeneckerBeratungsgesellschaft Standort+Markt
Kaum Bewegung gibt es – wie auch schon in den vergangenen sechs Jahren – im Möbeldiskont, so Schwarzenecker. Bei Lebensmitteldiskontern sieht er den Plafond erreicht, wenngleich dieses Segment gemessen an Verkaufsfläche (889.000 m2) und Umsatzpotenzial (7,65 Mrd. Euro) die Nase vorn hat. Trotz der Expansionsbestrebungen im Diskontbereich sei mittelfristig auch dort von einer Konsolidierung auszugehen. „Die Flächenproduktivität bei den Diskontern mit Schwerpunkt Sonderposten sinkt bereits, das ist ein erstes Anzeichen“, warnt Wölfler.
Neues Image für Diskonter
Besonders begehrt sind neben Toplagen in Innenstädten auch Flächen in kleineren Fachmarkt- und Einkaufszentren mit starkem Nahversorgungsanteil. „Da hat es massive Umsatzzuwächse gegeben – nicht nur für Lebensmittel- und Drogeriehändler, auch andere Branchen haben davon profitiert. Die Menschen kaufen seit der Pandemie wieder vermehrt dort ein, wo sie wohnen“, weiß Wölfler. Auch Diskonter sind zunehmend in Einkaufszentren zu finden. Dies ist laut den Experten auf ein Umdenken der Vermieter zurückzuführen: Diskonter würden nicht mehr als letzter Ausweg für schwer vermietbare Flächen angesehen, sondern als Frequenzbringer.
»Die Menschen kaufen seit der Pandemie wieder vermehrt dort ein, wo sie wohnen.«
Walter WölflerHead of Retail bei CBRE Austria
Die aktuellen Entwicklungen schlagen sich auch in den Mieten nieder. Sie seien prinzipiell stabil, in Toplagen sogar leicht steigend. „Aber sie steigen nicht mit der Inflation“, so Wölfler. Das zeigt die diesjährige Analyse von RegioData Research, für die rund 1500 bestehende Mietverträge von Unternehmen im Handels- und handelsnahen Sektor untersucht wurden. Demnach ist zwar das Mietniveau seit 2019 gestiegen, jedoch nicht in gleichem Maße wie die Inflation. Obwohl in den meisten Fällen eine Indexierung vereinbart wurde, wurden bei Neuabschlüssen im Schnitt um zehn bis zwölf Prozent geringere Mieten erzielt und teilweise bei bestehenden Verträgen Reduktionen gewährt.