Wohnraum

Interior-Design: Mustermix statt Schema F

Blütenpracht. Tapete „Grandma’s Garden“ von Francesca Colombo. Passende Porzellansets gibt es auch. 
Blütenpracht. Tapete „Grandma’s Garden“ von Francesca Colombo. Passende Porzellansets gibt es auch. Doris Dockner
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Mit dem Frühling ziehen Geblümtes und Gestreiftes in die vier Wände ein, auf Stoffen, Fliesen und Tapeten. Dos und Don’ts, damit die fröhliche Mustermelange nicht ins Auge geht.

Bunte Blumen, so weit das Auge reicht: in Knallrot, Neonpink, Blitzblau, Grasgrün, Sonnengelb und Leuchtorange. Marimekko setzt schon seit 1964 auf das wilde Flower-Power-Motiv namens Unikko, übersetzt Mohnblume - beim finnischen Designlabel das beliebteste Muster der Unternehmensgeschichte: Es schmückt Shirts, Regenmäntel, Duschvorhänge, Handtücher, Tassen, Mousepads. Auch extern gilt es als Mutter aller Blütenprints. Dabei hatte Firmengründerin Armi Ratia Florales eigentlich verboten: „Blumen sind von Natur aus so schön, dass man sie lieber nicht abbilden sollte“, gab sie als Maxime vor. Doch der ikonische Entwurf der Designerin Maija Isola überzeugte sie dennoch. Auch der belgische Mode- und Industriedesigner Raf Simons beweist aktuell seine Liebe für stilisierte Blumenwiesen - seine Entwürfe für den dänischen Edeltextilhersteller Kvadrat zieren bunte Pünktchen, die an die berühmten Blütenmeere von Van-Gogh-Bildern erinnern.

Das Frühlingserwachen wird in Innenräumen mit fröhlichen Mustern gefeiert: Blumen, Streifen und Punkten. Dazu gesellt sich Tierisches in allen Regenbogenfarben: Vögel, Fische, Schmetterlinge. Allein der Anblick vertreibt die gedämpfte Winterstimmung und sorgt für gute Laune. Auch Innenarchitektin Doris Dockner verspürt frischen Frühlingswind: „Der lange Winterschlaf ist vorbei, die Lebensgeister erwachen wieder, und alles wird neu. Die ersten Blumen sprießen aus der Erde, als Vorboten der wärmeren Jahreszeit. Sie punkten mit Lebendigkeit, Vitalität und Lebensfreude.“ Das Hochgefühl wird über Motivprints in die vier Wände transportiert: „Alles wird bunter, die Leichtigkeit kehrt zurück - Wonne und Lebenslust pur.“

In ihren Projekten kombiniert die Grazerin knallbunte oder pastellfarbige Blüten- oder Streifenmuster mit ruhigen Grün- und Naturtönen - so viel Erdung muss sein. In Perfektion erstrahlt der Indoor-Frühling in Kombination mit natürlichen Materialien und alter Handwerkskunst: Servietten aus Baumwolle oder Leinen sowie handgemachten und -bemalten Tellern aus Ton, zum Beispiel von der Mailänder Designerin Francesca Colombo, sie verziert sie mit bunten Blumen.

Ton in Ton. „Bitte in einer Farbgruppe bleiben!“ Das raten Expertinnen beim Mix und Match in privaten Wohnum­gebungen.
Ton in Ton. „Bitte in einer Farbgruppe bleiben!“ Das raten Expertinnen beim Mix und Match in privaten Wohnum­gebungen.Nicky Webb

Blumenkunst im Badezimmer

Interieurdesignerin Eugenie Arlt ließ wiederum das Wiener Hotel Altstadt erblühen: Die Fliesen der kleinen Badezimmer schmücken Blumenkunstwerke, die von Kachel zu Kachel wachsen - für das sprichwörtliche Bad inmitten von sprießendem Grün. Zur Nachahmung im Privaten rät die Gründerin des Bureau EA allerdings nicht: „Das ist eine spannende Inszenierung für Hotels, aber für die private Wohnumgebung gibt es zeitlosere Lösungen.“ Beispielsweise gemustertes Textil für Tische, Kissen, Polster oder Betten, das sich je nach Lust, Laune oder Saison auswechseln lässt. „Nach dem monochromen Winter sehnen sich Menschen nach Licht, Sonne und Farben.“ Fröhliche Muster hätten außerdem eine psychologische Wirkung: „Sie machen glücklich.“

Innen zieht laut Arlt ein neues Biedermeier ein: „Das Interieur soll Gemütlichkeit und Wärme verströmen.“ Als Folge des Retrotrends feiert Großmutters Landschaftstapete Wiederauferstehung aus der Mottenkiste. Allerdings entstaubt, herausgeputzt im hochwertigsten Kleid und von Herstellern im High-End-Bereich. „In modernen Räumen entstehen komplexe Bilder an den Wänden, die wie Gemälde wirken: mit Mustern und Formen aus der Natur.“ Davor findet sich jedoch keine schrille 1970er-Jahre-Möblage mehr, sondern edles Vollholz, das sich in Zurückhaltung übt. Wandverkleidungen mit Mustern oder Lettering setzen ein stärkeres Statement als bunte Farben.

Leicht in jedes Interieurkonzept zu integrieren seien laut Arlt Schwarz-Weiß-Motive: „Sie wirken wie Porzellanmalerei oder Kupferstiche.“ Doch bei aller Euphorie für Motive warnt sie zur Vorsicht: „Gerade Florales und Streifen funktionieren nur im richtigen Kontext.“ Wie britische Herrenclubs zeigen, können kleine Blumenmuster im Laura-Ashley-Style und gestreifte Wände in Kombination mit düstereren, gedeckten Farben auch Schwere statt Leichtigkeit vermitteln, Moll anstelle von Dur.

Platzbedarf. Tiere, auch in stark abstrahierter Form, brauchen Raum, um sich zu entfalten. ­Gleiches gilt für starke Muster.
Platzbedarf. Tiere, auch in stark abstrahierter Form, brauchen Raum, um sich zu entfalten. ­Gleiches gilt für starke Muster.Doris Dockner

Mix und Match, Ton in Ton

Durch das Grün des Urwalds lustwandeln. Oder auf den Meeresgrund abtauchen und eine Welt voller bunter Farben entdecken: Dockners Kunden fragen bereits individuelle Wandgestaltungen nach - lebendige Bilder mit Farnen, Ammoniten, Krebsen und Korallen: „Einmal stark, einmal weniger stark abstrahiert.“ Keine Frage, Tiere oder Streifen verleihen vier Wänden Persönlichkeit, sie brauchen aber Raum, um Wirkung entfalten zu können. Sonst entpuppen sie sich in Kombination gern als zickige Diven. „Mustermix ist eine Kunst für sich“, weiß Dockner aus der Praxis. „Misslingt sie, wirkt der Raum schnell überladen.“

Arlt rät zu einem Leitthema, das sich wie ein subtiler roter Faden durch den Raum zieht. Beispielsweise der Präsentation eines blau gestreiften Sessels vor einem Vorhang, der die Farbnuance dezent widerspiegelt. Am leichtesten gelingt Mix und Match Ton in Ton: Zum Beispiel mit einem grau gemusterten Sofa vor einer gleichfarbigen Wand. Statement-Möbel bekommen so die richtige Bühne. Mehr Mut braucht es hingegen für die Kombination grafischer Muster und markanter Farben: zum Beispiel die Inszenierung einer gelb gepolsterten Bank vor einer grün-weiß gestreiften Wand. Das geschickteste Händchen benötigt der Mix aus floralen und grafischen Prints. „Um keinen Overkill zu erzeugen, bitte in einer Farbgruppe bleiben.“ Sonst tut die wilde Melange aus Punkten, Papageien und Pfingstrosen dem Auge weh satt wohl.

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