Nachruf

Jan Assman ist tot: Keiner ergründete Ägypten wie er

„Nicht gläubig, aber religiös“ - und sehr musikalisch: Jan Assmann (1938-2024).
„Nicht gläubig, aber religiös“ - und sehr musikalisch: Jan Assmann (1938-2024).APA / Roland Schlager
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Er erforschte Ägypten und Moses, den Exodus und die „Zauberflöte“: Der große Kultur- und Religionswissenschaftler Jan Assmann ist 85-jährig in Konstanz gestorben.

Jan Assmann, der große, so glühende wie geduldige, so versöhnliche wie streitbare deutsche Kulturwissenschaftler, ist gestorben. Gleich nach dem ersten Schrecken auf diese Nachricht fällt einem wie als Trost die „sehr einfache Formel“ ein, die Assmann in seinem Opus magnum „Tod und Jenseits im alten Ägypten“ (2001) ganz zu Anfang geschrieben hat: „Der Tod ist Ursprung und Mitte der Kultur.“

Das trifft natürlich in besonderem Maß auf die altägyptische Kultur zu, die er, beginnend mit archäologischer Feldarbeit in Theben 1967, tief ergründet hat. Die Begräbnisriten, die heiligen Formeln des Totengerichts analysierte er bis ins etymologische Detail. Dem Begriff der Ma‘at, der Weltordnung, die sich am Himmel in den Bahnen der Gestirne und im menschlichen Bereich als Gerechtigkeit manifestiert, widmete er ein ganzes Buch, dem man, bei aller wissenschaftlicher Zurückhaltung, die Begeisterung für diese so langlebige Kultur anmerkte.

Früh faszinierte ihn auch die Figur des Ketzerkönigs Echnaton, des ersten Monotheisten, den Sigmund Freud in seiner letzten Schrift zum Lehrer des Moses erklärt hatte. Ist das wahr? Oder nur eine kulturelle Konstruktion? Assmann fand quasi einen Mittelweg: Die auch in der Tora tradierte, in der Geschichte vom Findelkind kaschierte Erzählung von Moses als Ägypter sei kulturelles Gedächtnis, sozusagen in einem höheren Sinn wahr, selbst wenn sie nicht faktisch wahr sein sollte. Dieses Konzept des kulturellen Gedächtnisses, der Gedächtnisgeschichte, der es „nicht um die Vergangenheit als solche“ geht, „sondern nur um die Vergangenheit, wie sie erinnert wird“, entwickelte er gemeinsam mit seiner Frau Aleida Assmann, die sich dem Thema von einer anderen Seite näherte. Sie erforschte etwa den Umgang mit der Erinnerung an den Holocaust.

Mosaische Unterscheidung

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