Autowirtschaft

Melonis Million und Ungarn als Vorbild

Lancia-Fans: Schauspieler Jean-Paul Belmondo (re.) und Freunde im offenen Lancia Flaminia. Die Marke steht vor einem Comeback.
Lancia-Fans: Schauspieler Jean-Paul Belmondo (re.) und Freunde im offenen Lancia Flaminia. Die Marke steht vor einem Comeback. Archiv
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Der Chef von Stellantis und die italienische Regierung sind sich in die Haare geraten. Die eine Seite sieht chinesische Automarken als Bedrohung, die andere will sie ins Land holen.

Man habe es von Beginn an geahnt: Die Gründung des Stellantis-Konzerns vor drei Jahren sei ein Ausverkauf der italienischen Autoindustrie gewesen – zugunsten Frankreichs, das in dem Multi-Marken-Bündnis das Sagen habe.

In dieser Weise richteten Vertreter der italienischen Regierung bittere Vorwürfe an den Chef des multinationalen Auto-Imperiums, Carlos Tavares (ein Portugiese). Im Jänner vor drei Jahren waren die Marken-Konsortien FCA (alles zu Fiat gehörige plus der US-Part mit Chrysler, Jeep, Dodge, RAM) und PSA (französischer Marken-Strauß plus Opel) zusammengegangen, wobei der französische Staat seinen Sanctus tatsächlich mit gewichtigen Stimmanteilen absicherte.

Vorbild Ungarn

In Italien sinke derweil der Ausstoß in den Werken; Pläne, Teile der Produktion kostengünstig außer Landes zu verlagern, alarmieren zusätzlich die Politik. Der Stimmung ebenfalls abträglich: Im Dezember wurde Fiat von der Zulassungsspitze im Land verdrängt – erstmalig seit einem Jahrhundert (was an der eigenen Marktführerschaft aber nichts ändere, wie Stellantis beteuert).

Aktuell werden jährlich 750.000 Fahrzeuge in italienischen Stellantis-Werken gebaut (weniger als in Frankreich), Ministerpräsidentin Giorgia Meloni fordert eine Million.

Der Wirtschaftsminister bemüht sich indes „seit Monaten intensiv um internationale Hersteller“, die in dem Land fertigen sollen.

Dies nach dem Vorbild Ungarns, denn dabei kann es sich nur um chinesische Marken handeln (BYD etwa errichtet bis 2026 eine Fahrzeug- und Batteriefabrik nahe Szeged). Staatliche Milliardensubventionen, die Stellantis bereits gepachtet glaubte, sollen nun auch zur Förderung solcher Projekte verwendet werden.

Dem Säbelrasseln begegnete Tavares mit konzilianten Statements und der Aussicht, Melonis geforderte Million bis (oder auch noch vor) 2030 erreichen zu können – sowie mit einer Frage: „Glauben Sie, es hilft, wenn wir noch mehr chinesische Marken einladen, in Europa zu produzieren?“

Versuch einer Plattform-effizienten Avantgarde: So sieht der neue Lancia Ypsilon aus.
Versuch einer Plattform-effizienten Avantgarde: So sieht der neue Lancia Ypsilon aus. Werk

Inzwischen surfen Europas Automarken die Retrowelle. Ihre lange Historie ist zumindest ein atmosphärisches Asset, das man Newcomern entgegensetzen möchte. So haucht Stellantis der eigentlich schon verblichenen Marke Lancia wieder Leben ein – ein Nachfolger des zuletzt einzigen Modells Ypsilon wird heuer in einzelnen europäischen Märkten starten. Die Geschichte der für ihre Innovationskraft gefeierten Avantgarde-Marke reicht bis zur Gründung 1906 in Turin zurück.

Der neue Ypsilon ist freilich ein Plattform-Derivat mit der Stilistik als einzigem Unterscheidungsmerkmal zu anderen Konzernbaureihen. Die Eigenständigkeit hat Lancia schon vor Jahrzehnten verloren.

Auch Frankreich setzt auf Nostalgie: Demnächst in Genf wird Renault den neuen R5 und einen Twingo zeigen, beides große Namen kleiner Autos aus der Vergangenheit. Rein elektrisch, sollen sie Preissegmente unter 25.000 (R5) und 20.000 Euro (Twingo) bedienen.

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