Social Media

Der Wunsch nach „Likes“ schlägt sich auf Seele und Magen

Junge Menschen, denen es sehr wichtig ist, auf Social Media positive Rückmeldungen zu erhalten, scheinen einem höheren Risiko zu unterliegen, aktiv ihr Essverhalten zu verändern, um ihre Beliebtheit zu sichern oder zu steigern.
Junge Menschen, denen es sehr wichtig ist, auf Social Media positive Rückmeldungen zu erhalten, scheinen einem höheren Risiko zu unterliegen, aktiv ihr Essverhalten zu verändern, um ihre Beliebtheit zu sichern oder zu steigern.IMAGO/xDimaberlinx
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Die intensive Nutzung sozialer Medien führt bei jungen Menschen häufig zu einem negativeren Körperbild. Forscher fanden darüber hinaus eine starke Achse zwischen besonders visuell aufgebauten Kanälen und Essstörungen.

Die intensive unkritische Nutzung sozialer Medien löst bei Jugendlichen häufig Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild aus und erhöht das Risiko, Essstörungen zu entwickeln. Das belegen neue Studien, warnten jetzt Experten der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie. Verzichten Betroffene auch nur eine Woche auf Social Media-Nutzung, bringt das schon einen positiven Effekt.

In den kommenden Tagen findet in Berlin der deutsche Jahreskongress zu den Fachgebieten Psychosomatik und Psychotherapie statt. Dabei geht es auch um gesellschaftliche Entwicklungen inklusive Trends im Medienkonsum im Zusammenhang mit psychosomatischen Problemen. Langzeitbeobachtungen aus zahlreichen Studien belegten, dass eine längere und intensivere Nutzung sozialer Medien mit Risikofaktoren für die Entwicklung von Essstörungen bei solchen jungen Medienkonsumenten einhergehe, insbesondere mit einem negativeren Körperbild und problematischem Essverhalten, hieß es vor kurzem in eine Aussendung der deutschen Experten. „Dabei spielt vor allem die Nutzung visueller Inhalte wie Fotos und Videos eine Rolle, und es sind vor allem Vergleichsprozesse, die einen Einfluss auf das Körperbild haben“, wurde Katrin Giel von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsklinik Tübingen zitiert.

Weniger Social Media, weniger Symptome

Die wissenschaftliche Grundlage dafür haben Ashley Sharma und Carol Vidal von der Johns Hopkins MedUni in Baltimore (USA) erst im September vergangenen Jahres in eine Literaturstudie im „Journal of Eating Disorders“ (DOI:10.1186/s40337-023-00898-6) publiziert. Sie schrieben in der Zusammenfassung: „Wir fanden eine starke Assoziation zwischen besonders visuell aufgebauten Social Media und Essstörungen.“

Dies bestätigte auch eine australische Untersuchung, in der Social Media bei an sich gesunden Jugendlichen mit Körperbildsorgen assoziiert waren. „Hier zeigte sich: Die Wichtigkeit, die ‚Likes‘ auf Social Media zugemessen wurde, war mit einem restriktiven Essverhalten und größerer Körperunzufriedenheit verknüpft“, erklärte Katrin Giel, Tübinger Forschungsleiterin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Umgekehrt hätte eine weitere aktuelle experimentelle Studie gezeigt, dass sich Essstörungssymptome bei Studenten signifikant reduzierten, wenn sie eine Woche auf Social Media-Nutzung verzichteten.

Höheres Risiko eine Essstörung zu entwickeln

In dieser im November vergangenen Jahres im „Journal of behaviour therapy and experimental psychiatry“ von Laura Dodzilo (University of Western Australia) und ihren Co-Autoren veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeit (DOI: 10.1016/j.jbtep.2023.101923) hatten die Experten nach dem Zufallsprinzip Personen mit Essstörungen und starkem Social Media-Konsum zur Hälfte für eine Woche „entwöhnt“, die andere Hälfte machte weiter. „Die Ergebnisse zeigten, dass diese Intervention einen Einfluss auf die Essstörungen hatte. Jene Probanden, die ihren Social Media-Konsum erfolgreich verringerten, zeigten eine signifikante Reduktion ihre Symptome im Vergleich zur den Probanden in der Kontrollgruppe.“

Diese Ergebnisse legen einen möglichen Weg nahe, wie problematisches Essverhalten im Zusammenspiel mit TikTok & Co entsteht. „Junge Menschen, denen es sehr wichtig ist, auf Social Media positive Rückmeldungen zu erhalten, scheinen einem höheren Risiko zu unterliegen, aktiv ihr Essverhalten zu verändern, um ihre Beliebtheit zu sichern oder zu steigern“, erläuterte die deutsche Expertin. Dabei müsse man berücksichtigen, dass sich dieses Verhalten im verletzlichen Alter des Heranwachsens abspiele.

Medienbildung hilft als Prävention

„Für viele Burschen und Mädchen ist diese Zeit mit Selbstwertthemen und -Selbstwertproblemen assoziiert. Sie entwickeln ihre eigene Persönlichkeit, wollen ihren Platz im Leben finden und suchen dabei Orientierung“, erläuterte die deutsche Expertin. Das Bedürfnis, einer Gruppe anzugehören, sich dort stark zu fühlen und akzeptiert zu werden, findet auf Social Media-Kanälen einen Resonanzraum. „Der eigene Körper kann dabei ein Vehikel sein, einer solchen Gruppe anzugehören, indem man Körperidealen nacheifert.“ Präventiv helfe am besten Medienbildung mit kritischem Hinterfragen von Inhalten, Aufklärung über die finanziellen Interessen von in Social Media auftauchenden Influencern und kritisches Bewusstsein gegenüber tradierten Idealbildern.

Essstörungen entwickeln sich vor allem in der Jugend, wobei Frauen deutlich häufiger als heranwachsende Männer betroffen sind - vor der Corona-Pandemie waren dies etwa zwei bis vier Prozent aller weiblichen Erwachsenen. Die drei wichtigsten Essstörungen sind Magersucht („Anorexia nervosa“), Ess-Brech-Sucht („Bulima nervosa“) und die Binge-Eating-Störung mit regelmäßigen Essattacken. „Das sind schwere psychische Erkrankungen, die eine Psychotherapie erfordern“, sagte Katrin Giel. Zur Entstehung tragen Persönlichkeitseigenschaften wie niedriger Selbstwert, Perfektionismus und soziale Ängstlichkeit in Kombination mit biologischen und gesellschaftlichen Faktoren bei. „Zu letzteren zählen auch die sozialen Medien“, so die Expertin. (APA)

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